© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Die Königin der Lüfte stirbt
Krise der Luftfahrtindustrie: Boeing stellt Produktion des Jumbojets 747 ein / Auch Konkurrent Airbus streicht coronabedingt 15.000 Stellen
Fabian Schmidt-Ahmad

Seit 50 Jahren ist die „Königin der Lüfte“ bei der Lufthansa erfolgreich im Einsatz, bislang wurde sie 1.558mal in verschiede Versionen gebaut, mit ihren vier Triebwerken ist sie eines der sichersten Flugzeuge der Welt – doch ein chinesischer Virus stürzte die amerikanische 747 über ein halbes Jahrhundert nach ihrem Erstflug (JF 40/18) nun vom Thron: „Angesichts der aktuellen Marktdynamik und der Aussichten werden wir die Produktion der ikonischen 747 im Jahr 2022 einstellen“, verkündete vorige Woche Boeing-Chef Dave Calhoun. Damit hat der Jumbojet seinen einzigen direkten Konkurrenten, den erst seit 2005 gebauten A380, immerhin um ein Jahr überlebt. Airbus sieht bereits für 2021 die letzte Montage seines Jumbos vor.

Die Nachfrage nach Luftfracht steigt erfreulich

Anders sieht es bei einem anderen Modell aus, mit dem Boeing sonst das große Geld verdient. 15 Monate stand sie am Boden, nun flog die Boeing 737max wieder. Zumindest für drei Tage. Die absolvierten Zertifizierungsflüge sind ein wichtiger Schritt für die Wiederzulassung durch die US-Luftfahrtbehörde FAA. Boeings wichtigster Modellreihe war nach zwei verheerenden Abstürzen weltweit die Betriebsgenehmigung entzogen worden (JF 13/19). Nun hofft der angeschlagene und vom Staat gestützte Konzern, den nachgebesserten Flieger ab September aufsteigen zu lassen. Doch die Fliegerwelt hat sich durch Covid-19 verändert. Als im März 2019 Boeings Kronjuwel die Flügel gestutzt wurden, stürzte dies zwar den Branchenriesen in eine schwere Krise, jedoch in einem ansonsten stabilen Umfeld.

Nun hat nicht nur Boeing, sondern auch Erzrivale Airbus einen massiven Stellenabbau angekündigt:15.000 Stellen sollen gestrichen werden, ein Drittel davon in Deutschland. Bei Boeing müssen coronabedingt weitere 16.000 Leute gehen. Immerhin profitiert Boeing davon, daß Fluggesellschaften derzeit keine Verwendung für die rund achthundert 737max haben, die mittlerweile im Stammwerk in Seattle abgestellt sind. Entsprechend wird der US-Konzern die Vertragsstrafen drücken können. Andererseits kämpft Airbus nun mit den gleichen Problemen – und das ist für Boeing gefährlich. Denn bisher konnte Airbus von der Krise des Konkurrenten kaum profitieren, weil die Europäer sowieso volle Auftragsbücher für den 737max-Konkurrenten 320neo hatten. Nun ist das anders.

Weltweit streichen Fluggesellschaften ihre Flotten zusammen, weshalb nun auch bei Airbus bestellte, aber nicht bezahlte Flieger aus der 320er Familie frei werden. Diese wird der europäische Konzern mit kräftigen Rabatten auf den Markt werfen – und im Bereich der Kurz- und Mittelstreckenflieger noch mehr Druck aufbauen. Ein wichtiges Marktsegment, das künftig eher an Bedeutung gewinnen wird. Denn die Passagierluftfahrt könnte auf Jahre geschrumpft bleiben. Dadurch werden Schmalrumpfflugzeuge für Fluggesellschaften interessant, die auf diesen Strecken bisher großes Gerät einsetzen. Nur die Nachfrage nach Luftfracht steigt, wie Lufthansa-Cargo-Chef Peter Gerber am Wochende verkündete.

Boeing wollte auch die zivilen Jetmodelle des brasilianischen Herstellers Embraer für 4,2 Milliarden Dollar übernehmen, doch im April zogen sich die Amerikaner nach zwei Jahren Verhandlungen vom unterschriftsreifen Vertrag zurück. Airbus hatte vor drei Jahren die brandneue C-Serie vom drittgrößten Flugzeughersteller Bombardier übernommen, die nun als Airbus A220 vermarktet wird und die Airbus-Familie nach unten absichert.

Das Besondere am neuen Nesthäkchen ist, daß es nicht nur in Kanada hergestellt wird, sondern daß es auch ein Airbus-Werk in Alabama gibt: Damit wäre der nicht erst unter Donald Trump betriebene Protektionismus für den wichtigen Markt der US-Binnenflüge unterlaufen, Boeings letzter Bastion für die 737. Die wiederauferstandene 737max dürfte dann also von zwei Seiten von Airbus-Fliegern „Made in USA“ in die Zange genommen werden.

Und wenn es ganz schlecht läuft für die Amerikaner, ist Airbus liquide genug, sich bei Embraers Produktpalette der Jets unterhalb der A220-Familie zu bedienen. Die verärgerte Nummer vier im Flugzeugbau ist derzeit sowieso nicht gut auf Boeing zu sprechen.

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