© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Ein Mann wie Hastings
Im Herbst kämpft US-Präsident Donald Trump um seine Wiederwahl / Im Kino startet jetzt mit „Irresistible – Unwiderstehlich“ eine Wahlkampf-Satire
Dietmar Mehrens

Unwiderstehlich“ ist nicht der erste Film, der sich kritisch mit dem Thema US-Wahlkampf auseinandersetzt. Und er ist auch nicht der beste. In „Swing Vote“ (2008) sah man Kevin Costner als umworbenes Zünglein an der Waage im Duell zwischen Republikanern und Demokraten. In „Tage des Verrats“ (2011) stand George Clooney im Zentrum würdeloser Wahlkampfkabalen.

Die Regiearbeit des Talkshowmoderators Jon Stewart geht eher den Weg von „Swing Vote“: weg von dem geräuschvollen Gerangel in den Metropolen und den harten Bandagen, mit denen es geführt wird, hin zu den Hinterwäldlern in der Provinz. So nämlich, als Hinterwäldler, sieht bekanntlich vor allem das linksliberale Establishment die beharrlich an Präsident Trump festhaltenden US-Amerikaner in ländlich geprägten Staaten wie Wisconsin oder Iowa.

Angetan von dem entschlossenen Auftritt des Farmers Jack Hastings (Chris Cooper) in Deerlaken/Wisconsin, der rasch die sozialen Medien erobert hat, wittert Gary Zimmer (Steve Carell), der Wahlkampagnen-Guru der Demokraten, im Kampf um die Stimmen der traditionell den Republikanern zuneigenden Landbevölkerung Morgenluft: Eine authentische und unwiderstehliche Galionsfigur muß her, ein Mann wie Hastings! „Sie sprechen Werte an“, schmiert er dem Veteran der US-Streitkräfte Honig um den Bart und kann ihn tatsächlich zur Kandidatur für das Bürgermeisteramt in Deerlaken überreden. Unter einer Bedingung: Zimmer selbst muß das Wahlkampf-Team führen.

Der Weg, der vor Hastings liegt, wird kein leichter sein. Denn der republikanische Amtsinhaber Braun erfreut sich beträchtlicher Beliebtheit. Außerdem steuert Faith Brewster (Rose Byrne), Zimmers attraktive Dauerrivalin von den Republikanern, die Kampagne des Braun-Lagers, woraus sich die vorhersehbaren Konflikte ergeben – denn natürlich verbindet nicht nur der Streit um den richtigen politischen Kurs Zimmer und Brewster, sondern auch eine artgerechte Haßliebe.

Wie erreiche ich die, deren Denken mir fremd ist?

Als sich Hastings bis auf wenige Prozentpunkte an Braun herangekämpft hat, wirft ein Fauxpas das Wahlkampfteam zurück: Die auffällige Häufung von Singlefrauen, die die Demokraten-Demoskopen in einem Wohnviertel ermittelt haben und die man mit Flugblättern zur „reproduktiven Selbstbestimmung“ wahlkampftaktisch klug für sich zu nutzen hoffte, liegt an einem Nonnenkloster. Und überzeugte Katholikinnen wissen natürlich, daß „reproduktive Rechte“ das „Framing“-Codewort ist für die totale Enttabuisierung der Embryonenvernichtung, die der Papst 2019 mit einem Auftragsmord verglichen hat.

Der Film von Jon Stewart ist ein amüsanter Beitrag zu der auch hierzulande bekannten Filterblasen-Problematik: Wie erreiche ich die, deren Denken mir fremd und suspekt ist? Der Regisseur demaskiert in der erwartbaren Weise die oft aus dem Ruder laufenden Abläufe und Aktivitäten während einer US-Wahlschlacht, prangert – übrigens ohne parteiisch zu werden – das allgegenwärtige Lügen und Wahrheitsverdrehen in der Politik an. „Unsere Art zu wählen bringt uns alle um den Verstand“, lautet am Ende des Films die Moral der Geschichte. Trotz einer Reihe spritziger Dialoge und komischer Momente reicht das ebenfalls von Stewart stammende Drehbuch aber bei weitem nicht an die eingangs zitierten Genrevorbilder heran. Zu sehr verläßt er sich auf das komödiantische Vermögen des Gespanns Carell/Byrne und den zeitkritischen Knalleffekt am Ende. Der Clou, den Stewart da für seine Zuschauer bereithält, der allerdings hat es in sich!