© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Und danach?
Spätfolgen der Coronaerkrankung sind mannigfach
Mathias Pellack

Das Coronavirus stoppt die Proteinfabriken in unseren Zellen. Es blockiert die Ribosomen mit einem eigenen Protein namens Nsp1, schreiben die Wissenschftler Konstantin Sparrer vom Universitätsklinikum Ulm und Roland Beckmann von der LMU München. Diese Entdeckung bietet einen weiteren Ansatzpunkt für die Entwicklung von Medikamenten. Ähnlich wie mit dem als wirksam erwiesenen Mittel Remdesivir könnte hier die Proteinproduktion des Virus unterbunden werden. Viren sind für ihre Vervielfältigung auf die Proteinfabriken der Zellen, die sie befallen, angewiesen.

In Deutschland wurden bisher 208.885 Ansteckungen mit dem Coronavirus registriert. 9.212 Personen davon starben an oder zumindest mit dem Virus. Doch auch wenn das Virus nicht mehr im Körper ist, bleiben laut einer italienischen Studie bei in etwa neun von zehn Fällen Spätfolgen zurück.

Meistens sind das Probleme der Atmung, die durch die virenbedingte Schädigung der Lunge auftreten können. Besonders litten Ältere darunter und Patienten, die beatmet werden mußten, da die Beatmung das Gewebe schwächt. Wenngleich es „auch bei jüngeren Patienten manchmal viele Monate dauert, bis Lunge und Atemmuskulatur wieder voll leistungsfähig sind“, wie Michael Dreher, Direktor der Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin am Uniklinikum Aachen gegenüber Spektrum sagte. Dabei ist Lungengewebe ein sehr regenerationsfähiges. Doch da das Virus erst Ende vergangenen Jahres aufgetaucht ist, gebe es keine Patienten, bei denen die Erkrankung mehr als ein paar Monate zurückliegt. Und „deshalb können wir noch nichts sicher über die Langzeitfolgen sagen“, erklärt Dreher.

Weitere bekannte Folgeschäden sind Gliederschmerzen, Erschöpfung oder neurologische Probleme, wie Schwindel, Riech- und Geschmacksstörungen, Verwirrtheit, bis hin zu Hirnhautentzündungen und Schlaganfällen, wie eine Studie von Micheal Zandi et al., die in der britischen Fachzeitschrift Brain erschien, nachweisen konnte. „Wir identifizierten eine höher als erwartete Anzahl von Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Hirnentzündungen, die nicht immer mit dem Schweregrad der Atemwegssymptome korrelierten,“ sagte Zandi den University College London News. Weitere neurologische Spätfolgen sind beispielsweise das Guillain-Barré-Syndrom, eine Entzündung des peripheren Nervensystems etwa im Rückenmark, das zu Lähmungen führen kann. 

Aber auch das Gefäßsystem und die Blutgerinnung können Schaden nehmen. Vieles deute darauf hin, daß ein Viertel aller Covid-19-Patienten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben sei. Grund dafür seien laut der Apotheken Umschau ausgelöste Infarkte, Muskelentzündungen oder Rhythmusstörungen des Herzens. Auch hier sei eine dauerhafte Schädigung des Gewebes möglich. 

Relativ positiv sieht dagegen die Regenerationsfähigkeit der Nieren aus. Mehr als ein Drittel aller Covid-19-Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden mußten, erlitten zwar ein Nierenversagen, doch in der großen Mehrheit erholte sich das Gewebe weitgehend.