© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Nord Stream 2: Drohbrief aus Washington
Unverhofft kommt oft
Albrecht Rothacher

Unverhofft erhielt die Leitung des Fährhafens Saßnitz auf Rügen Post aus den USA. Die republikanischen Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson drohten unverhohlen mit der „wirtschaftlichen Vernichtung“ des Hafens, falls er seine Zuarbeit – die Lagerung und Lieferung betonummantelter Stahlröhren an russische Verlegeschiffe – für die Gaspipeline Nord Stream 2 nicht sofort einstelle. Andernfalls würde der Hafen mit dem ganzen Arsenal der US-Sanktionskiste belegt. 

Der Drohbrief soll die Fertigstellung der letzten 120 der 2.000 Kilometer langen Gasleitung in letzter Minute verhindern. Angesichts der eklatanten Verletzung deutscher Souveränitätsrechte schlugen die Wellen der öffentlichen Entrüstung hoch. Dabei war die rußlandfeindliche Reaktion des US-Senats, die auch linke Demokraten mit einschließt, völlig absehbar. Das Argument, die US-Amerikaner wollten nur ihr teures Flüssiggas nach Europa verkaufen und die russische Konkurrenz ausschalten, greift zu kurz: Sie exportieren es zu lukrativeren Preisen nach Fernost, denn Japan, Korea und Taiwan kommen nicht an das billigere Pipeline-Gas. Helfen Gegensanktionen der EU gegen die USA, wie jüngst von Putin-Freund Gerhard Schröder bei einer Bundestagsanhörung gefordert? Deutschland befände sich dann angesichts der außen- und energiepolitischen Alleingänge in einer Sackgasse. Die gebeutelte deutsche Exportindustrie dürfte einmal mehr die Rechnung zahlen.