© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Güner Balci. Die neue Integrationsbeauftragte von Neukölln gefällt den Linken nicht
Die Unbequeme
Leila Mirzo

Wie soll man Güner Yasemin Balci beschreiben? Kurz und knapp: Würde die Bundespolitik beherzigen, was Balci anmahnt, hätte Deutschland eine andere Integrations- und Migrationspolitik. Doch nun erstrahlt zumindest in Berlin-Neukölln ein Silberstreif am Horizont – die neue Integrationsbeauftragte dort heißt: Güner Balci. 

Die Journalistin, Buchautorin und ehemalige Sozialarbeiterin wurde 1975 als Kind türkischer Gastarbeiter in Berlin geboren. In ihrem alevitischen Elternhaus mußte sie kein Kopftuch tragen, wuchs gleichberechtigt auf, lernte sogar Karate. Doch das Neukölln ihrer Kindheit veränderte sich, die Gewalt auf den Straßen nahm zu, immer dominanter wurde der Einfluß des Islam auf den Alltag und die Menschen. Damit verschlechterte sich auch die Situation der muslimischen Frauen und Mädchen, die kulturelle Vielfalt im Kiez wurde von immer mehr Kopftüchern verdrängt. 

Balci studierte Erziehungs- und Literaturwissenschaften und arbeitete ehrenamtlich beim Mädchentreff „MaDonna“. Dort erlebte sie viele Schicksale, sie hörte zu und verarbeitete ihre Erfahrungen und Kritik an den patriarchalen Strukturen im Migrationsmilieu in ihren Romanen „Arabboy“ (2008), „ArabQueen. Der Geschmack der Freiheit“ (2010) oder „Das Mädchen und der Gotteskrieger“ (2016), aber auch ihren Reportagen, etwa für die Zeit, Spiegel Online oder „Panorama“ vom NDR.

Seit ihrer Ernennung zur Integrationsbeauftragten des Bezirks mit 330.000 Einwohnern Anfang August haben Neuköllner Linke und Grüne Schaum vor dem Mund: Sie bezichtigen die 45jährige, Vorurteile gegenüber Muslimen zu haben. Auch ihre frühere Berichterstattung über Thilo Sarrazin wird ihr übelgenommen, mit der sie ihn „unterstützt“ hätte, so die Kritik. 2011 drehte Balci einen Fernsehbericht über den Buchautor für das ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“. Dieser fiel für den Geschmack mancher Politiker nicht „scharf“ genug aus. So beklagte der vormalige NRW-Integrationsminister Armin Laschet, solche Beiträge würden „Menschen wie Sarrazin“ unnötige Aufmerksamkeit verschaffen. 

Als Reaktion auf den „Eklat“ wurde Balci eine bereits gebuchte Dokumentation über Sarrazin und die Stimmung im Land ein Jahr nach der Veröffentlichung seines Bestsellers „Deutschland schafft sich ab“ vom RBB gekündigt. Die Verantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen wollten damit offenbar das Risiko einer weiteren unvoreingenommenen und damit in ihren Augen „positiven“ Berichterstattung über Sarrazin verhindern. Daraufhin schrieb Balci dem Sender: „Was mich am meisten ärgert, ist die unter Journalistenkollegen und Politikern scheinbar weitverbreitete Meinung, man dürfe über Sarrazin und sein Buch nicht reden, schon gar nicht einen Film machen. Rede- und Meinungsfreiheit sind eben doch sehr begrenzt. Auch bei uns. Diese Erkenntnis beschäftigt mich sehr.“