© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

„Mit voller Wucht gegen die Wand“
Kommando Spezialkräfte: Ein langgedienter Feldwebel wehrt sich in einem anonymen Brief gegen die Verleumdung der Einheit
Peter Möller

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr kommt nicht zur Ruhe. Nachdem im Mai ein Mitglied der Eliteeinheit verhaftet worden war und Ermittler auf dem Privatgrundstück des Soldaten in Sachsen auf ein Depot mit Waffen, Sprengstoff und Munition gestoßen waren, war in der Öffentlichkeit intensiv über mögliche rechtsextremistische Netzwerke innerhalb der Bundeswehr und des KSK diskutiert worden. Als Folge war unter anderem die zweite Einsatzkompanie der Einheit, der auch der in Untersuchungshaft sitzende Soldat angehörte, aufgelöst und die Ausbildung der Elitesoldaten neu geregelt worden.

Doch nun regt sich innerhalb des KSK Widerstand gegen den in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck, bei der Truppe handele es sich um eine von Rechtsextremisten durchsetzte Einheit, die die Demokratie gefährde. In der vergangenen Woche wurde ein anonymer Brief bekannt, den ein Soldat verfaßt haben will, der nach eigenen Angaben seit Gründung des KSK bei den Spezialkräften in Calw als „Kommandofeldwebel, Ausbilder und Führer“ dient.

„Ich diene unserem Land aus Leidenschaft und Pflichtgefühl“, schreibt der Mann und gibt als Motivation für den Brief „die gefühlte ungerechte Skandalisierung“ an, der die Soldaten und zivilen Mitarbeiter des KSK „aufgrund der Fehler einzelner – aber auch aufgrund vieler unwahrer Behauptungen und Vermutungen“ derzeit ausgesetzt seien.

Aus den Zeilen schwingt der Stolz auf die Leistungen des 1996 aufgestellten Verbandes mit, der sich zu einem der kampfkräftigsten Verbände der Bundeswehr entwickelt habe. „Er ist national und international anerkannt, einsatzbewährt und kann sich trotz seiner jungen Geschichte in vielen Bereichen mit vergleichbaren, langjährigen Einheiten der Nato messen“, heißt es in dem Brief. „Aus meiner Sicht ist man allerdings soeben daran, diesen Verband mit voller Wucht an die Wand zu fahren“, warnt der Verfasser. Sein Vorwurf: Derzeit werde in der Öffentlichkeit das Bild eines von „braunen Netzwerken“ durchzogenen KSK vermittelt, das sich verselbständigt habe. Doch dies gebe nicht die Realität wieder: „‘Rechte Netzwerke’ oder ‘rechtsextreme Umtriebe’ existieren aus meiner und querschnittlicher Sicht im Verband nicht. Die über die Jahrzehnte verteilten Einzelfälle und der eine jetzt im Zuge von intensiven Ermittlungen festgestellte wirklich kriminelle Fall sowie weitere kritisch zu sehende, aber noch nicht ausermittelte Verdachtsfälle rechtfertigen keinesfalls den durch die Medien transportierten Generalverdacht.“

Experten gehen von mehreren Autoren aus

Die Folgen der Vorverurteilungen des KSK seien fatal: „Die Stimmung ist querschnittlich gedrückt, in Teilen niedergeschlagen.“ Kündigungen und Versetzungsgesuche von langgedienten, verdienten Kommandosoldaten und Leistungsträgern seien die Folge, berichtet der KSK-Angehörige, der die Einsatzbereitschaft der Spezialkräfte massiv gefährdet sieht.

Gleichzeitig wirbt er um Verständnis für den besonderen Korpsgeist innerhalb der Truppe, der in den Medien immer wieder als Nährboden für rechtsextremistische Strukturen angesehen wird. Spezialkräfte seien oft in isolierten Lagen, mit geringen eigenen Kräften ohne direkten Rückgriff auf Unterstützung eingesetzt. „Dies setzt ein absolut stabiles, über mehrere Jahre gewachsenes, inneres Gefüge voraus.“

Doch das Schreiben läßt auch Unverständnis erkennen, warum in der Vergangenheit gegen Regelverstöße nicht konsequent genug durchgegriffen worden sei. Jeder einzelne negative Vorfall sei in der Vergangenheit im Kreis der Kommandosoldaten kritisch kommentiert, mißbilligt und als rufschädigend gewertet worden. Entgegen der Erwartung im Verband, hätten es die vormaligen disziplinaren Regularien allerdings nur selten zugelassen, die wenigen verhaltensauffälligen oder team-unfähigen Verbandsangehörigen gegen ihren Willen aus dem Verband zu entfernen. „Daß hier selbst Kommandeure weitestgehend machtlos waren, wurde stets kopfschüttelnd hingenommen“, beklagt der Verfasser.

Er weist zugleich auf die nun geänderten politischen Maßstäbe in der Bundeswehr hin. Die Grenzen des „Sag- und Likebaren“, auch die Toleranzen der militärischen Führung hätten sich geändert. Es müsse daher allen Soldaten die Möglichkeit gegeben werden, sich den veränderten Maßstäben anzupassen. „Ich selbst bin in einer Bundeswehr aufgewachsen, in welcher bei jedem Quartalsappell durch die damaligen Vorgesetzten noch mit markigen Reden vor der Bedrohung durch die sowjetischen Streitkräfte gewarnt wurde.“ Nach heutigen Maßstäben wären die damaligen Vorgesetzten zumindest als problematisch einzustufen.

Der Brief wird in Bundewehrkreisen als bemerkenswert eingeschätzt, da sich erstmals öffentlich Widerspruch gegen die Vorwürfe gegen die Eliteeinheit und auch gegen den Umgang des Verteidigungsministeriums mit der Problematik regt. Experten gehen davon aus, daß das Schreiben vermutlich nicht von einem einzelnen Soldaten, sondern von einer größeren Gruppe innerhalb des KSK formuliert worden ist. Im Verteidigungsministerium, das sich mit Verweis auf den anonymen Absender bislang nicht zu dem Brief äußern wollte, dürfte der Brief mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden sein: Denn er kann auch als Kritik an einer mangelnden Wahrnehmung der Fürsorgepflicht von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gegenüber den Soldaten gelesen werden. Die Ministerin, so der Eindruck vieler Soldaten, reagiere wie schon ihre Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) auf skan-dalträchtige Berichte über angebliche oder tatsächliche rechtsextremistische Vorkommnisse in der Bundeswehr zu voreilig, ohne sich die Zeit zu nehmen, sich zunächst ein genaues Bild von den tatsächlichen Zuständen zu machen. Bislang haben die Soldaten in den betreffenden Einheiten dieses Vorgehen nach außen klaglos hingenommen, diese Zeit scheint nun vorbei zu sein.