© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Psychologie der Masken
Corona: Unterrichtsbeginn und Umfragen
Christian Schreiber

Auch wenn der Sommer mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke gerade erst seinen Höhepunkt erreicht hat: Die großen Ferien nähern sich für viele Schüler und Lehrer langsam aber sicher dem Ende – oder sind sogar schon vorbei. Kommende Woche haben elf von 16 Bundesländern wieder regulär Unterricht. Doch was ist schon regulär in Zeiten von Corona?  

In Mecklenburg-Vorpommern mußten in der ersten Woche des neuen Schuljahres zwei Schulen wegen Corona-Fällen wieder geschlossen werden. Die Angst geht um in deutschen Klassenzimmern, und bedingt durch die Kulturhoheit der Länder könnte sich die Politik nicht auf ein einheitliches Vorgehen in Sachen Schutzmasken einigen. In Brandenburg gilt in Fluren, Treppenhäusern und Mensen eine Maskenpflicht für Schüler und Lehrer, aber nicht in Klassenräumen und auf Schulhöfen. Eine ähnliche Regelung gibt es auch für Berlin. In Nordrhein-Westfalen gibt es dagegen eine generelle Maskenpflicht, vorläufig bis Ende des Monats. Dann soll eine erste Bilanz gezogen werden. 

Rechtsextremisten         nur „gering beteiligt“

Uneinigkeit herrscht auch in der Frage, was passiert, wenn an einer Schule ein positiver Fall auftritt. Eine komplette Schulschließung wie in Mecklenburg-Vorpommern, wo mehr als 200 Schüler in häusliche Quarantäne mußten,  ist nach Ansicht des Bundeselternrats keine dauerhafte Lösung. „Die aktuellen Fälle zeigen uns leider, daß die Schulen zu schnell und unvorsichtig geöffnet wurden“, sagte der Elternratsvorsitzende Stephan Wassmuth der Welt.  Es sei „ärgerlich, daß die Kultusminister das so lässig angegangen sind und die Sommerferien nicht dafür genutzt haben, einen verläßlichen Unterricht auch in Corona-Zeiten vernünftig vorzubereiten“. Der Bundeselternrat habe „seit Wochen“ dafür plädiert, Klassen zu teilen, um im Falle eines Ausbruchs nur wenige Schüler in Quarantäne schicken zu müssen. 

Während die Politik landauf, landab über die Schutzmaskenpflicht an Schulen diskutiert, haben mehrere Hersteller einen „dicken Hals“, was die Zahlungsmoral der Regierung angeht. Wie die Welt am Sonntag berichtete, rollt auf die Bundesregierung wegen ausstehender Zahlungen für den Kauf von Schutzmasken eine Klagewelle zu. Mehr als einhundert Lieferanten würden Klagen vorbereiten oder hätten diese schon eingereicht, berichtet das Blatt. Insgesamt geht es um offene Rechnungen in Höhe von 400 Millionen Euro. Das Gesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) gibt sich gelassen. Qualitätsmängel und falsch gestellte Rechnungen seien der Grund für die „Verzögerungen beim Zahlungsziel“.  Die Opposition sieht das naturgemäß anders. Die Einkaufstour des Ministeriums sei „völlig aus dem Ruder gelaufen“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katja Dörner.

Die Stimmung ist hitzig im Land, nicht nur wegen der Maskenfrage. Am vergangenen Wochenende gingen wieder mehrere tausend Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Die größten Kundgebungen fanden in Stuttgart und Dortmund statt. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt sorgte ein Auftritt des ehemaligen Fußball-Profis Thomas Berthold für Aufsehen. In einer Rede kritisierte er die Bundesregierung scharf für ihre Maßnahmen gegen die Pandemie. Der Weltmeister von 1990 sprach in seiner Rede unter anderem davon, sein Vertrauen in die politische Führung sei mittlerweile bei „unter null“. Zudem müsse man sich Gedanken machen, welche Partei man eigentlich noch wählen könne. 

Während die Organisatoren der Proteste erklären, große Teile der Bevölkerung stünden hinter ihnen, sprechen Meinungsumfragen eine andere Sprache. Wie das Institut Forsa am Wochenende mitteilte, äußerten 91 Prozent der Befragten, daß sie kein Verständnis für die Proteste haben. Nur neun Prozent der Gesamtbevölkerung gaben sich verständnisvoll. Während die Anhänger fast aller Parteien den Protesten mit großer Mehrheit ablehnend gegenüberstehen, begrüßen 59 Prozent der AfD-Anhänger die Demonstrationen. 

Unterdessen heißt es in einem der JUNGEN FREIHEIT vorliegenden vertraulichen Lagebericht des gemeinsamen Corona-Krisenstabs von Bundesinnen- und Bundesgesundheitsministerium, daß zwar „vereinzelt“ Rechtsextremisten zur Teilnahme an den Protesten aufriefen. „Bisherige Erkenntnisse deuten aber darauf hin, daß eine solche Beteiligung von Rechtsextremisten an (demokratischen) Kundgebungen in eher geringem Ausmaß erfolgt.“

In einer anderen Umfrage des Instituts Civey äußerten mehr als vier von fünf Befragten die Vermutung, daß es noch in diesem Jahr eine erneute Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen geben werde. Mit 32 Prozent geht etwa ein Drittel sogar „auf jeden Fall“ davon aus, weitere 50 Prozent rechnen „eher“ damit. Nur etwas mehr als jede zehnte befragte Person geht nicht von neuerlichen Beschränkungen aus. Die Folgen für die Wirtschaft schätzen die Befragten als dramatisch ein. 

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte daher eine nüchterne Bestandsaufnahme: „Nach einem halben Jahr Erfahrung mit dem Virus brauchen wir eine medizinische Einordnung dessen, was falsch gelaufen ist und geändert werden muß.“ Und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte der Bild am Sonntag, einen zweiten pauschalen Lockdown dürfe es nicht geben. Er plädierte für kleinere Schließungen, Quarantäne und zeitlich begrenzte regionale Reaktionen.