© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Umwelt
Zu kurz gedacht
Paul Leonhard

Trotz Corona-Gefahr sollen die Österreicher statt ins eigene Auto künftig in die Bahn, den Bus, die Tram oder die Wiener U-Bahn steigen. Dafür wurde von der schwarz-grünen Regierung das „1-2-3-Ticket“ abgesegnet: 365 Euro für ein oder 730 Euro für zwei Bundesländer sowie 1.095 Euro für ganz Österreich. Ab 2021 soll die ursprünglich von den Grünen und dann auch von der SPÖ geforderte Jahreskarte angeboten werden, ergänzt um einen ermäßigten Tarif für Jugendliche, Behinderte oder Rentner. Im Vergleich zur bisherigen Österreich-Card für 1.889 Euro, dem Schweizer Generalabonnement für umgerechnet 3.500 Euro oder der deutschen Bahncard 100 für 3.878 Euro klingt das wenig, aber mit der Einführung des „Österreich-Tickets: Leistbare Öffis für alle“ – so der Wahlkampfspruch der Grünen – sollen angebliche Billigfahrkarten verboten und Mindestpreise für den Luftverkehr eingeführt werden.

Das 1-2-3-Jahresticket kostet den österreichischen Steuerzahler 240 Millionen Euro.

Streit gibt es um die regionalen Ländertarife. Der Landeshauptmann des kleinen Burgenlandes, Hans Peter Doskozil (SPÖ), droht mit Klagen beim Verfassungsgerichtshof. Denn in der viermal so großen Steiermark kostet das Länderticket genausoviel. Für bundeslandübergreifende Pendler wird es allerdings teurer. Und in Wien gibt es schon eine von 850.000 Personen genutzte Jahresnetzkarte für 365 Euro, in Linz müssen dagegen bislang nur 285 Euro gezahlt werden. Die Grüne Leonore Gewessler, seit Januar Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie tourt daher gerade durch die Alpenrepublik, um die Details mit den Regionalpolitikern und den Chefs der Verkehrsbetriebe zu klären. Im Herbst sollen die Details verraten werden. Für die Einführung der Jahreskarte sind 240 Millionen Steuer-Euro eingeplant – umgerechnet über 100 Euro pro vierköpfige Familie. Sprich: Dorfbewohner ohne ÖPNV zahlen für grünenaffine Städter.