© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Israel Kaunatjike. Der Berliner Herero-Aktivist taucht immer wieder in den Medien auf.
Der Ankläger
Jörg Sobolewski

Israel Kaunatjike hätte viele Gründe, dankbar zu sein. Als Anti-Apartheidaktivist aus dem von Südafrika besetzten Südwest­afrika (dem heutigen Namibia) geflohen, fand er 1970 in West-Berlin Zuflucht und eine neue Heimat. Eine so gute sogar, daß er auch nach der Unabhängigkeit seines Vaterlandes 1990 hier blieb und in Berlin-Schöneberg, statt auf der Farm seiner Familie beerdigt werden will.

Und doch gärt es in dem ehemaligen Heizungsinstallateur: Als Mitglied der Gruppe „Berlin Postkolonial“ setzt sich der 72jährige für sein Volk, die Herero, ein, das er als Opfer eines Völkermords sieht. 1904 begann es in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika einen Aufstand mit Folter und Mord an 29 deutschen Zivilisten, darunter zwei Frauen. General Lothar von Trotha reagierte so brutal, daß dies selbst in Berlin auf Kritik stieß. Die besiegten Herero sahen sich schließlich gezwungen, in die Omahekewüste zu fliehen, wo Zigtausende den Tod fanden.

Für Israel Kaunatjike ist die Katastrophe der Herero allerdings mehr als nur der Tod in der Omaheke. Viele Überlebende wurden interniert. Schädel und Knochen dort Verstorbener gingen an Forschungsinstitute im Reich. Nach Verhandlungen mit der Bundesregierung kam es zu ihrer Rückführung. Ein Erfolg, den sich Kaunatjike gemeinsam mit anderen Interessenvertretern der Herero auf die Fahnen schreiben kann. Und es geht um Reparationen. Den Einwand, Namibia erhalte in einigen Jahren schon länger Entwicklungshilfe als seine deutsche Kolonialgeschichte von 1884 bis 1915 gedauert habe, will Kaunatjike nicht gelten lassen. Allerdings besteht die namibische Regierung mehrheitlich aus der Volksgruppe der Ovambo, deren Beziehung zu den Herero nicht immer einfach gewesen ist. Daß nun also ausgerechnet die Ovambo Verhandlungen mit der ehemaligen Kolonialmacht unter Ausschluß der Herero führen, überrascht den objektiven Betrachter allerdings nicht – geht es doch um Gelder, die im Land verteilt werden können. Man könnte auch sagen: der namibischen Regierung nutzen tote Herero mehr als lebende. Denn deutsches Geld soll zuvorderst in die Hauptstadt Windhuk fließen, nicht in Hererohände.

Die Kränkung Kaunatjikes ist also nachvollziehbar. Seine Tragik ist vielleicht, daß er mit seinem Anliegen an der Realität afrikanischer Stammespolitik scheitert, dafür aber in deutschen Medien – die das gerne unterhinterfragt lassen – die Bundesrepublik verantwortlich macht. 

Dabei weiß Israel Kaunatjike, dessen Bruder Walter heißt, auch deutsche Vorfahren unter seinen Ahnen. Er hätte sich also zum Vermittler zwischen den Welten entwickeln können. Doch vielleicht wäre das auch zuviel verlangt.