© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Einspruch eines Blogwarts
Peter Möller

Journalistenpreise sind etwas in Verruf geraten, seitdem der Spiegel-Redakteur Claas Relotius Preise am laufenden Band für Geschichten eingesammelt hatte, die zu einem guten Teil seiner Phantasie entsprungen waren. Ungebrochener Beliebtheit unter Hauptstadtjournalisten erfreut sich dagegen der Medienpreis des Deutschen Bundestages, der seit 1993 jährlich von dessen Präsidenten verliehen und mit 5.000 Euro dotiert wird. Damit sollen herausragende publizistische Arbeiten gewürdigt werden, „die zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen und zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Abläufe, Arbeitsweisen und Themen beitragen“, heißt es in der Ausschreibung. Über die Vergabe entscheidet eine Jury aus sieben Journalisten.

Vergangene Woche berichtete der Tagesspiegel über einen Brief des ehemaligen SPD- und nun fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Marco Bülow an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), in dem er kritisiert, daß der unter dem Pseudonym „Don Alphonso“ bekannte Journalist und Blogger Rainer Meyer der Jury angehört. Diese sei „keinesfalls politisch ausgewogen“ und habe „eine starke rechtskonservative Schlagseite“, kritisiert Bülow. Als Mitglied des Bundestags wundere es ihn, „daß Sie in dieser Jury auch einen Journalisten ernannt haben, der immer wieder durch Hetze auf Autorinnen und Journalistinnen auffällt, zumeist junge Frauen.“

Anlaß für den Unmut Bülows ist die vor allem in den sozialen Medien ausgetragene Auseinandersetzung um einen Bericht des ARD-Magazins „Panorama“ über einen Offizier der Bundeswehr, dem Ende Juli in der Sendung anhand einiger von ihm getätigter „Likes“ auf Instagram eine Nähe zum Rechtsextremismus unterstellt worden war. Daraufhin hatte Meyer den Machern des Beitrages fragwürdige Methoden bei der Recherche und der Auswahl der Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl, die in dem Beitrag zu Wort kommt, vorgeworfen. So zeigte er auf, daß die österreichische Journalistin alles andere als unabhängig ist, und keine Berührungsängste zu linksextremen Organisationen hat. Durch die Recherchen von Don Alphonso gerieten Strobel und die verantwortlichen Panorama-Journalistinnen in den Sozialen Medien kräftig unter Druck.

Der Brief Bülows kann daher als eine Art Entlastungsangriff gesehen werden. Bereits die Jury-Berufung Meyers, der als ehemaliges langjähriges SPD-Mitglied die linke Subkultur nur zu gut kennt, war in linken Kreisen mit Murren aufgenommen worden. Anfang 2019 hatte sich sogar Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) kritisch zu Wort gemeldet: „Für mich hat die Meinungsfreiheit dann Grenzen, wenn sie zur Verhetzung führt, wenn Haß gepredigt wird, und wenn soziale Gruppen ausgegrenzt und verhetzt werden.“

Trotz Roths Intervention versandete die Kritik schnell. Das dürfte jetzt nicht anders sein. Eine Antwort Schäubles auf den Brief Bülows ist nicht bekannt, und es spricht wenig dafür, daß sich der Bundestagspräsident in eine Kampagne einspannen läßt und Rainer Meyer aus der Jury abberufen könnte.