© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ein Häuschen mit Garten
Paul Rosen


Zu Bonner Zeiten pflegten Politiker am Rhein zumeist bescheiden zu wohnen. Es gab in der Theodor-Heuss-Allee sogar eine Appartementanlage für Abgeordnete, von der aus der Bundestag in weniger als fünf Minuten zu Fuß zu erreichen war. Man war ohnehin maximal 22 Wochen des Jahres in Bonn, wenn der Bundestag tagte. Die übrige Zeit verbrachten die Volksvertreter in ihren Wahlkreisen. Zu den Lehren des Berlin-Umzugs gehört, daß sich die Bonner Verhältnisse nicht eins zu eins auf Berlin übertragen ließen. Zwar wurde wieder eine Wohnanlage für Abgeordnete, die „Moabiter Schlange“ gebaut. Aber nur wenige zogen damals ein.

Zwar gab es immer noch den ein oder anderen Abgeordneten, der ein möbliertes Zimmer in Berlin mietete, aber viele richteten sich größer ein. Eigentumswohnungen wurden gekauft, auch Häuser. Der Aufenthalt in Berlin beschränkte sich nicht nur auf Sitzungswochen. Zu groß sind die Reize der Stadt in Kultur, Gesellschaft und beim Feiern. Prominente aus den Medien setzten beim Immobilienkauf Maßstäbe: So bezogen der Fernsehmoderator Günther Jauch und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner in Potsdam Häuser, die eher an kleine Schlösser erinnern als an biedere Einfamilienhäuser.

Etliche Politiker zogen nach. So erwarben Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sein Ehemann, der Burda-Manager Daniel Funke, nach Informationen des Wirtschaftsmagazin Business Insider eine denkmalgeschützte 20er-Jahre-Villa in Berlin-Dahlem. Spahn und Funke gehören wie andere Prominente zur „Haute Volaute“ in der Hauptstadt, auf deren Events sie so selbstverständlich angetroffen werden können wie etwa Döpfner und Jauch.
Bei Spahns Immobilienerwerb stellen sich jedoch ein paar Fragen, die sich bei Döpfner so nicht stellten: Der Springer-Chef kann eine teure Villa locker von seinem Gehalt bezahlen, ein Bundesminister nicht. Spahn brauchte Kredit, und den bekam er von der Sparkasse Westmünsterland in seiner nordrhein-westfälischen Heimat, wo er auch den Wahlkreis direkt gewonnen hat. Ganz zufällig saß Spahn bis vor einiger Zeit im Verwaltungsrat dieser Sparkasse, deren Geschäftsbetrieb nach dem nordrhein-westfälischen Landessparkassengesetz aber grundsätzlich auf ihre Region, das westliche Münsterland, beschränkt ist. Für Spahn gab es jedoch einen Kredit für die Villa in Berlin, dessen Tilgungsraten selbst für ein Ministergehalt (rund 200.000 Euro im Jahr) ambitioniert sein dürften.

Zudem setzte der Minister nach bisherigen Informationen zwei Millionen Euro Eigenkapital für den Immobilienerwerb ein. Hier sollte Spahn die Herkunft des Vermögens aus Gründen der Transparenz und politischen Hygiene auf den Tisch legen, denn als Abgeordneter dürfte er von seinen Diäten kaum so viel gespart haben. Auch wenn Volksvertreter sparsam leben können: Ein altgedienter Bonner MdB pflegte einst zu scherzen: „Man kommt montags mit 50 Pfennig in der Tasche in Bonn an und fährt freitags mit den 50 Pfennig wieder nach Hause.“