© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Grüße aus Sedan
Keine Spur von 1870
Gil Barkei


In der Bar an dem kleinen hübschen Platz in Sedan gibt es eine große Auswahl an Bieren. Hier, kurz hinter der belgischen Grenze, trinken die Franzosen oft lieber Bier als Wein. Die passierenden Jugendlichen tragen wie viele ihrer Altersgenossen in Deutschland und dem Rest der Welt Trainingshose, T-Shirt, Cap und Umhängetasche. Der „Schick“ der Pariser Banlieue ist dank der Hip-Hop-Musik, die aus mehreren vorbeifahrenden Autos schallt, längst in der Jugendkultur und in den Kleinstädten angekommen.


Wir schlendern an den dicken Mauern der Burg entlang. Auf den davor gelegenen Wiesen lagerten vor 150 Jahren Kanonen und Granatpyramiden; bereit an die Front des Deutsch-Französischen Krieges geworfen zu werden.
Doch von diesem für beide Seiten geschichtsträchtigen Ereignis 1870 ist kaum etwas zu spüren: keine Fahnen, keine Ausstellungsplakatierung, wie sie wenige Kilometer entfernt in Bastogne angesichts des 75. Jubiläums der Belagerung im Zweiten Weltkrieg immer noch an vielen Laternen rund um das Historical Center oder das US-101st-Airborne-Museum hängen.
Auch der Obelisk für die Franzosen hat eine Renovierung nötig – und verdient.

Aber wer zelebriert schon gerne seine Niederlagen? Außer den Deutschen, die wiederum ihre Siege – auch 1940 wurde bei Sedan gesiegt – nicht mehr feiern. Wir spazieren Richtung Friedhof durch die Straßen und Gassen vorbei an Bistros, Tajine-Restaurants, Shisha-Geschäften und der Maas.

Zwischen Siebziger-Jahre-Quaderbausünden und schönen alten Häusern mit farbigen hölzernen Fensterläden stehen einige völlig verfallene Gebäude, aus denen teilweise bereits das Grün wächst. In den vergangenen 45 Jahren ist die Bevölkerung Sedans von gut 23.000 Einwohnern auf knapp 17.000 geschrumpft.

Auf dem Friedhof von dem endlich frisch renovierten Kriegerdenkmal für die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkrieges (JF 47/18) hat man einen Überblick auf die gelb, hell- und dunkelgrün leuchtenden Hügel. Irgendwo dort in der Ferne lagen 1915 die Schlachtfelder. 1870 stand auf einer der Erhebungen um das Ardennenstädtchen König Wilhelm I. von Preußen und beobachtete das Kampfgeschehen mit Generalstabsoffizieren – und nahm die Kapitulation Napoleons III. entgegen.
Schräg hinter dem deutschen Denkmal steht ein Obelisk für die französischen Kämpfer der damaligen Schlacht von Sedan. Auch er hat eine Renovierung nötig – und verdient.