© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

„Lieschen Neubauer und Thunbergs Gretel zittern“
Libertäre Tagung: Auszeichnung für Markus Krall, den „gefährlichsten Mann Deutschlands“ / Planwirtschaftliche Instinkte und politische Negativauswahl
Christian Dorn


Vor dem Weltfinanzsystem liegen die Goldenen Zwanziger 2.0. So könnte das Fazit der zehnten Mark-Banco-Anlegertagung des Instituts für Austrian Asset Management (IfAAM) lauten, die diesmal in Lübeck vor Anker ging, um sich der Flutung der Finanzmärkte mit Notenbankgeld zu erwehren. Um so wichtiger erscheint hier der „argumentative Waffenschrank“, den Markus Krall (JF 15/20) mit seinem Wirken erweitert habe, so Laudator Thomas Bachheimer über den Risikomanager, der hier mit der Roland-Baader-Auszeichnung geehrt wurde. Nicht zufällig hatte das sozialistische Neue Deutschland (ND) den Autor des Titels „Die bürgerliche Revolution“ zum „gefährlichsten Mann Deutschlands“ erklärt.
Dessen eingedenk, kokettierte der Gründer der „Atlas Initiative“ damit nur kurz, um dann in der Tradition des Libertären Roland Baader (1940–2012) die „Vision des freiheitlichen Minimalstaates“ zu entwerfen, angesichts einer kollabierenden Wirtschaft, die uns permanent daran erinnere, „daß unsere Gelddruckorgie ein Rettungsring aus Beton ist“. Entsprechend begann seine Diagnose mit der „Bürokratie, deren Tierkreiszeichen die Krake ist“. Deren „alles erstickende Tentakel“ steckten so tief jedem Bereich unseres Lebens, daß es schon eine „sexuelle Belästigung“ sei.

Die planwirtschaftlichen Instinkte in der Wirtschaftspolitik korrespondierten mit der „Negativauswahl der politischen Klasse“. Dementsprechend seien deutsche Parlamente der einzige Ort, an dem „die Kevins und Roberts dieser Welt ihr Auskommen ohne jede Leistung finden“. Was sich im Bildungssystem widerspiegele, so in den Schulfächern „Genderismus, Klima-Sozialismus und Ökologismus“. Beispielhaft sei das Fachgebiet Gender MINT der Hochschule Hannover, wo ein Doktorand Max Metzger „Radprofile“ als „ein vielschichtiges und schwierig zu analysierendes ingenieurwissenschaftliches Artefakt“ definiert, eine durch „gesellschaftliche, geschlechtliche und politische Einschreibungen“ beeinflußte geometrische Form, weshalb zu fragen sei, wie der „Entwicklungsprozeß von Radprofilen mit feministischen Methoden gestaltet werden“ könne, „ohne in dem Dilemma zwischen Transformation und Assimilation gefangen zu sein“.
„Panik ist etwas Schönes, wenn es die Richtigen trifft“

Ebenso desaströs sei es um den Rechtsstaat bestellt, denn stehe die Regierung über dem Recht, werde das Tyrannei genannt – und „diese Regierung watet hüfttief durch die Illegalität“. Daher habe sie Angst vor dem Volk: „Panik ist schon etwas Schönes, wenn es die Richtigen trifft“, so Krall. Entsprechend zitterten „Lieschen Neubauer“, „Thunbergs Gretel“ und Konsorten „wie Eskenlaub“ vor der bürgerlichen Revolution, deren erstes Ziel in der Meritokratie bestehe, der „Herrschaft der Verdienstvollen“. Danach dürfe nur wählen, wer nicht von Sozialtransfers oder Subventionen lebt.

Das derzeitige Dollar- und Euro-Geld wäre am besten durch den Goldstandard zu ersetzen – nicht zufällig sei mit Judy Shelton eine Kandidatin für einen Direktorenposten bei der US-Notenbank Fed nominiert worden, die sich für eine Rückkehr zum Goldstandard ausgesprochen hat. Schließlich sei das Steuersystem radikal zu reformieren: komplett abgeschafft gehörten alle Steuern, die den Anreiz zu Leistung mindern, ebenso der Rundfunkbeitrag. Für die Kernaufgaben des Staates (Inneres/Justiz, Äußeres, Verteidigung und Finanzen), reichten dann 15 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.

So utopisch diese Verheißungen klangen, so nüchtern waren die vorangegangenen Diagnosen, etwa der Vortrag des Edelmetall- und Goldminen-Experten Martin Siegel (Stabilitas). So erlebten wir „keine Corona-, sondern eine Finanzkrise“. Lag der Anleihenbestand der EZB im Jahr 2011 noch bei Null, belief sich die Summe im Jahr 2019 bereits auf 2.559 Milliarden Euro. Laut der Bank of America seien 50 der 600 größten europäischen Unternehmen „wandelnde Tote“ (Zombies), also nicht mehr überlebensfähig, wenn die EZB deren Schulden in Form von Anleihen nicht mehr aufkauft. Obgleich der aktuelle Goldpreis leicht überbewertet sei, wäre aufgrund der Zentralbank-Politik noch eine Steigerung bis zu 2.400 Dollar pro Unze denkbar, wobei das Wachstums­potential bei den Gold- und Silberminen selbst deutlich größer sei.

Thorsten Polleit, Chef des libertären Ludwig-von-Mises-Instituts Deutschland, dessen kommendes Buch den Titel „Der Anti-Kapitalist“ trägt, glaubt hingegen nicht an einen nahe bevorstehenden globalen Finanzcrash, wahrscheinlicher seien finanzielle Repression, Helikoptergeld und unbegrenzte Bankenrettungen. Der einzige Weg, der Geldentwertung zu entgehen, seien Gold und Silber sowie die Investition in einen diversifizierten Weltaktienmarkt-Index.
Schließlich, so warnte „Vermögensvermehrer“ Markus Elsässer, flüchte das Kapital wie ein scheues Reh. Das läßt den Zuhörer an die Massenmigration von Milliarden denken, sozusagen an an die Börse Geflüchteten. Hier war Florian Homm der rechte Mann: Wichtiger als Rendite sei „Asset Protection“, etwa durch die Transformation in eine Körperschaft, möglichst außerhalb der EU.