© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Das entwaffnende Gesetz
Ab 1. September unter Generalverdacht: Der legale Besitz von Schußwaffen wird unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung eingeschränkt
Martina Meckelein


Wem wird hier das Halali geblasen? Am 1. September tritt das neue Waffenrechtsänderungsgesetz (3. WaffRÄndG) vollständig in Kraft. Angeblich mußte deutsches Recht zum dritten Mal geändert werden, um es der 2017 erlassenen EU-Feuerwaffenrichtlinie anzupassen. Zweck des Ganzen: Der Zugang zu illegalen Schußwaffen und die Nutzung legaler Schußwaffen zur Begehung terroristischer Anschläge sollen erschwert werden.
Deutschland macht wieder einmal einen Alleingang

Aber ist diese Änderung des Waffenrechts dazu wirklich in der Lage? Kritiker sehen das völlig anders: Es handle sich nicht um eine Anpassung, sondern um eine weit über die EU-Richtlinie hinausgehende Verschärfung des Waffenrechts. Deutschland mache wieder einmal einen Alleingang. Die Wirtschaft könne Schaden nehmen. So würde der Gebrauchtwaffenmarkt zusammenbrechen, Fachgeschäfte und Büchsenmacher in den Konkurs getrieben. Auch seien die Behörden durch den Verwaltungsaufwand überfordert. Doch den Grünen geht diese Verschärfung nicht weit genug.
388.529 Jagdscheininhaber zählte der Deutsche Jagdverband 2018/19. Die Zahlen steigen übrigens seit Jahrzehnten: 1998/99 waren es 339.196, zwanzig Jahre zuvor noch 257.406. Im Gegensatz dazu sinken kontinuierlich die Zahlen der Mitglieder im

Deutschen Schützenbund (DSB). Waren es 2002 noch 1.565.233, sind es 2019 200.000 weniger. Wobei dazu noch cirka 500.000 Schützen in neun weiteren, allerdings viel kleineren Verbänden organisiert sind.
Wie viele legale Schußwaffen gibt es in Deutschland? Das müßte das am 1. Januar 2013 in Betrieb genommene Nationale Waffenregister (NWR) wissen. Das ist beim Bundesverwaltungsamt angesiedelt. Es bereitet die Meldungen der rund 550 örtlichen Waffenbehörden auf, so das zuständige Bundesinnenministerium und bildet den „legalen privaten Waffenbesitz in Deutschland ab“. Demnach waren im Jahr 2017 in Deutschland 5,37 Millionen Schußwaffen beziehungsweise Waffenteile im NWR registriert.

Interessant wären nun Schätzungen darüber, wie viele illegale Waffen es in Deutschland gibt und wie hoch der Anteil der mit legalen Waffen verübten Verbrechen ist. Die JUNGE FREIHEIT fragte dazu beim Bundesinnenministerium nach – bis Drucklegung, zwölf Tage nach der Anfrage keine Antwort.

Eine der besten Kennerinnen, aber auch schärfsten Kritikerinnen des neuen Waffengesetzes ist Katja Triebel. Die Vorsitzende der German Rifle Association antwortet der JF auf die Frage, ob sie die Gesetzesänderung für zweckdienlich hält, um Terroristen oder Kriminellen den Zugang zu Waffen zu erschweren, kurz und bündig mit: „Nein, natürlich nicht.“
Triebel nahm an einigen wenigen Befragungen als Research-Verantwortliche der „Firearms United“ teil, zur Zeit ein „loser Zusammenschluß von besorgten EU-Bürgern“, sagt sie. Triebel schrieb E-Mails und Briefe an die Ausschußmitglieder und MdEPs im Namen der „Firearms United“ und organisierte die Feuerwaffen-Konferenz im Brüsseler Parlament, zusammen mit Bernd Kölmel, Dita Charanzova und „Firearms United“, an der auch die Ausschußvorsitzende Vicky Ford und der Vertreter der EU-Kommission Alain Alexis teilnahm.

Die heutige Vizepräsidentin und damalige Schattenberichterstatterin Dita Charanzova beurteilte die Entstehung der EU-Feuerwaffenrichtlinie in einem Interview mit zbronjnice.com so: „Der rechtmäßige Besitz von Schußwaffen wurde unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung eingeschränkt. Der gesamte Prozeß war sehr politisiert. Die Kommission hat unsere Argumente abgelehnt, der Druck zur Annahme der Richtlinie war enorm.“
Charanzova kritisierte auch, daß die Kommission während des Trilogs mit Versionen von Vorschlägen in die Sitzungen ging, die niemand vorher lesen konnte, und daß die Beamten der Kommission ihren Text mit Wikipedia-Artikeln verteidigten. „Dies ist definitiv kein Standard, ich habe noch nie einen ähnlichen Prozeß erlebt. Wir standen unter enormem Druck. Niemand wollte Argumente hören. Es gab viele nicht standardisierte Situationen, es war klar, daß die höchsten Posten Interesse an der Annahme der Richtlinie hatten. Ich verließ oft die Meetings am Morgen. Die Atmosphäre war sehr angespannt und Streitigkeiten waren an der Tagesordnung. Das ist bei Verhandlungen dieses Formats nicht üblich. Das war definitiv die schwierigste Aufgabe, die ich im EU-Parlament erlebte.“
Triebel vermutet, daß der EU-Entwurf „bereits seit 2013 mit dem Start des EU-Aktionsplans gegen zivile Feuerwaffen in der Schublade lag und man nur auf den ‘richtigen’ Zeitpunkt wartete, den der zweite Anschlag auf Paris im Jahr 2015 erfüllte.“
 Konkret ändert sich folgendes: Die Bundesländer sind durch das Gesetz ermächtigt, Rechtsverordnungen für Waffenverbotszonen zu erlassen. Wichtig hierbei ist, daß es keine Verbrechensschwerpunktgebiete oder No-go-Areas sein müssen. Hier gilt auch ein Messerverbot ab vier Zentimeter Klingenlänge. Des weiteren werden Hi-Cap-Magazine verboten. Das heißt Magazine mit über 20 Schuß Inhalt für Kurz- und über zehn Schuß Inhalt für Langwaffen. Außerdem sind einige Salutwaffen verboten und zwar solche, die aus der Kategorie A-Waffen umgebaut worden sind, das heißt ursprünglich vollautomatisch waren. Die Bedürfnisbewilligung zum Erwerb wird mit regelmäßigen Schießnachweisen geprüft.

Die Grünen fordern nun die Entwaffnung aller Schützen

Doch jetzt wurde die „Regelmäßigkeit“ neu definiert. Das Bedürfnis zum Besitzerhalt wird geändert. Statt jeden Neuerwerb nach drei Jahren zu prüfen, wird nun nach fünf und nach zehn Jahren des ersten Waffenerwerbs mit Schießnachweisen geprüft, danach reicht die Mitgliedschaft in einem Sportschützenverband. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung hat eine Regelabfrage des Verfassungsschutzes zur Folge. Die Gelbe Waffenbesitzkarte, bei der es bisher keine Beschränkung auf die Anzahl der Waffen gab, ist jetzt beschränkt auf maximal zehn Waffen. Dieser Punkt war vor dem GroKo-Kompromiß nicht ansatzweise angedeutet worden und wäre durch die EU-Richtlinie auch nicht notwendig gewesen, so Experten.
Am 13. Dezember 2019, in der Bundestagsdebatte zur neuen Gesetzgebung lief dann Helge Lindh (SPD) zur Hochform auf, als er fragte: „Wollen wir, daß in unserer Nachbarschaft Prepper, Reichsbürger, Selbstversorger und sonstige ziemlich verfassungsfeindliche Menschen Waffen horten? Wollen wir amerikanische Verhältnisse?“ Einzig Martin Hess (AfD) und Konstantin Kuhle (FDP) gaben zu bedenken, daß legale Waffenbesitzer durch dieses Gesetz unter Generalverdacht gestellt würden.
 „Bis jetzt waren doch legale Waffenbesitzer gut überwacht“, sagt Jagdlehrer Lambert Focke gegenüber JUNGEN FREIHEIT. „Bisher vergab der Waffenhersteller die Waffennummern, hiermit wurden wesentliche Teile einer Schußwaffe markiert, die Weitergabe an den Waffenhändler, den Jäger beziehungsweise Sportschützen wurden dokumentiert und innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Tagen den zuständigen Waffenbehörden angezeigt. Daran haben sich die gesetzestreuen Bürger in verantwortungsvoller Weise gehalten. Die den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Lagerung der Waffen und der Munition wurde den Behörden nachgewiesen und von ihnen kontrolliert. Soweit zur Kontrolldichte bei den legalen Schußwaffen und der legalen Waffenbesitzer. Man könnte nach diesen rechtlichen Entwicklungen den Eindruck gewinnen, daß der Staat am liebsten keine Waffen in Privatbesitz sehen will, genauso wie in der DDR.“

Dem nicht genug, hat die Innenministerkonferenz nun weitere Aufgaben für das NWR in petto: Ab September soll das NWR den vollständigen Lebenszyklus einer Waffe abbilden. Von der Herstellung, über den Import, die verschiedenen Besitzer bis zur Vernichtung oder den Export soll das NWR II alle Daten einer Waffe und auch seiner Teile dokumentieren. Jagdlehrer Focke schüttelt den Kopf: „Was für ein Bürokratiemonster wird da geschaffen? Und vielleicht fragen sich unsere Volksvertreter einmal, wie sie die Kontrolldichte bei den illegalen Waffen durchsetzen wollen? Durch resignierendes Weglächeln?“
 Die Erfüllung der Vorgaben scheint  von den Behörden auf die Händler abgewälzt zu werden. Katja Triebel erklärt: „Weil Deutschland bei der Registrierung und Kategorisierung mal wieder 200 Prozent überkorrekt ist und die Vorarbeit den Händlern und Herstellern aufbürdet, sind wir über die Maßen mit Verwaltungsarbeit belastet. So dürfen wir ohne virtuelle ID-Nummern ab 1. September 2020 nichts mehr verkaufen, ankaufen oder reparieren und müssen ständig Meldungen machen und sollen dann noch bei falschen Einträgen von Behörden helfen.“

Doch das neue Waffengesetz scheint nicht das Ende der Fahnenstange. Die Grünen haben Blut geleckt. In ihrem Grundsatzprogramm fordern sie die Entwaffnung aller Schützen. Wörtlich heißt es da: „Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernstzunehmen bedeutet, ein Ende des privaten Besitzes von tödlichen Schußwaffen mit Ausnahme von Jäger*innen und Förster*innen …“

Doch nicht nur die Grünen wollen weitere Beschränkungen. Katja Triebel: „Seitens der EU sind weitere Beschränkungen für 2020 bis 2025 in Planung. Unter anderem die verstärkte Kontrolle des Paketversands, um in der Masse von Kleinsendungen versteckte Waffenteile insbesondere mit Hilfe von Röntgenscannern besser zu erkennen.“

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