© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Corona-Zäsur: Es ist Zeit, die Systemfrage zu stellen
Sozialistische Wende zum Weniger

Für Linksintellektuelle, die Gesellschaftskritik noch nicht mit der neoliberalen Agenda von Diversität und Massenmigration verwechseln, bietet die Corona-Pandemie die Chance, die fast vergessene „Systemfrage“ zu stellen. Täglich erscheinen daher Bücher und Aufsätze, die „unser gesamtes Konsum- und Lebensmodell“ zur Disposition stellen. So wie der Essay des Politologen Albrecht von Lucke, der in den linken Blättern für deutsche und internationale Politik, deren Redakteur und Mitgesellschafter er ist, eine „Wende zum Weniger“ fordert (Heft 8/20). „Dank Corona“ gerate das „globalkapitalistische Produktions- und Konsummodell“ in die Krise. Die „perverse Logik“ des Konsumierens als Lebensform, die Sinnmitte des modernen homo consumens, scheine im globalen Ausnahmezustand, dem ersten radikalen Einschnitt nach 75 Jahren westlicher Wachstumsgeschichte, zumindest temporär außer Kraft gesetzt. Eine Rückkehr zur gewohnten „bloßen Konsumexistenz“ sollte es daher nicht geben. Vielmehr müsse die bisherige „egoistische Individualisierung“ überwunden und die „Sozialpflichtigkeit neu entdeckt“ werden. Ob von Lucke darunter eine Neuauflage realsozialistischen Daseins im Kollektiv meint, bleibt im Vagen. Aber ein erster Schritt wäre für ihn das erhoffte „Ende des Individualverkehrs“, das Innenstädte wieder zu „Orten sozialen Lebens“ mache. Partylebens? (wm)

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