© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Kabinenklatsch
Dann doch lieber das deutsche Urgewächs
Ronald Berthold


Es soll deutsche Fußballfans geben, die auch im Europapokal immer gegen den FC Bayern sind. Lieber war ihnen zum Beispiel am Sonntag, daß Paris St. Germain die Champions League gewinnt. Gleichzeitig aber sind sie gegen den Dosenklub aus Leipzig, weil beim Projekt RB die Tradition verloren und der Kommerz gewonnen hat.
Mir geht es ähnlich. Aber dann müssen wir auch gegen den Milliardärsklub aus Frankreich sein. Sagenhafte anderthalb Milliarden Euro hat der Staat Katar über einen Ölfonds seit sieben Jahren in den Verein gepumpt. Aus einem Abstiegskandidaten wurde so der Dauermeister.

Dieses Prinzip zieht sich durch die Vereinsgeschichte. Schon 1970, als Paris St. Germain entstand, spielte vor allem Geld eine Rolle. Scheichs gab es da noch nicht – jedenfalls nicht in der Ligue 1. Vermögende französische Geschäftsleute gönnten sich damals ein neues Hobby und hoben durch eine Fusion mit dem Zweitligisten Stade Saint-Germain den Klub aus der Taufe. Dann war es Modeschöpfer Daniel Hechter, der das Produkt mit seinen Millionen am Leben erhielt. Und bevor die Araber kamen, gehörte der Klub dem US-Finanzinvestor Colony Capital.
Wer auf Paris St. Germain blickt, schaut in die

Abgründe, die konservative Fußballfans verschrecken.

Wer auf Paris St. Germain blickt, schaut in die Abgründe, die traditionsbewußte, also konservative Fußballfans verabscheuen. Ihre Feindbilder heißen Hoffenheim und Rasenballsport. Da bin ich bei ihnen: Sie nehmen Vereinen wie Kaiserslautern oder Dresden einen Platz in der Bundesliga weg. Und trotzdem haben nicht wenige von diesen Leuten dem französischen Kunstprodukt gegen die Münchner die Daumen gehalten. Auch dabei berufen sie sich auf Tradition: Einmal gegen Bayern, immer gegen Bayern.

Ich gehöre übrigens zu jenen, die sich zwar in der Bundesliga einen anderen Meister wünschen und deshalb stets dem Gegner die Daumen drücken. Im internationalen Wettbewerb gehört dem natürlich gewachsenen FCB als Deutscher Meister allerdings meine Solidarität – ein bißchen wie bei der Nationalelf. Erst recht, als es gegen einen Retortenklub ging. Daher habe ich mich über den Sieg doppelt gefreut.