© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Unsicherheit, die bleibt
Der Rechtsbruch von 2015 ließ in fünf Jahren nahezu zwei Millionen Migranten ins Land und kostete mehr als 200 Milliarden Euro
Ronald Berthold

Fünf Jahre ist es her, daß eine Entscheidung der Bundeskanzlerin Deutschland fundamental verändert hat. Angela Merkel lud am Budapester Bahnhof ausharrende „Flüchtlinge“ ein, öffnete die Grenzen und weigert sich seitdem, sie wieder zu schließen. Selbst während der Corona-Krise, in der Deutsche ihr Land nicht verlassen durften, ging der Ansturm weiter. Benachbarte Europäer kamen nicht rein, wer aber „Asyl“ sagte, war willkommen.

In diesem Jahr zählten die Behörden bis Juli 64.790 Asylanträge, was über den Werten der Jahre 2004 bis 2012 liegt. Insgesamt stieg die Zahl damit seit 2015 auf 1,9 Millionen. Addiert man 2014, sind in den vergangenen sechseinhalb Jahren insgesamt 2.264.292 Menschen eingewandert – so viele wie in Köln, Hannover und Nürnberg wohnen. Hinzu kommt der Familiennachzug, der sich nicht beziffern läßt.

Deutschland ist dadurch islamischer, ärmer und gefährlicher geworden. Auch 2020 sind die allermeisten Zuwanderer jünger als 35 Jahre, männlich und muslimisch. Die Kosten für die Sozialsysteme und Integrationsmaßnahmen belaufen sich bisher mindestens auf 200 Milliarden Euro (JF 22/20). Migranten, die als „Flüchtlinge“ ins Land kamen, führen Terroranschläge aus. Das bis dahin seltene Delikt der „Gruppenvergewaltigung“ ist häufiger geworden – ebenso wie sich das Schubsen vor einfahrende Züge mehrt. 2019 wurden laut BKA 138 Deutsche Opfer eines Mord- oder Totschlagsdeliktes, bei dem mindestens ein „Flüchtling“ der Täter war. Die Polizei zählte zudem 2.866 Sexualstraftaten dieser Zuwanderer an Einheimischen.

Als die schwarz-rote Bundesregierung die unkontrollierte Massenzuwanderung am 4. September 2015 beginnen ließ, gab es dagegen keine parlamentarische Opposition. Der Satz der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt: „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich darauf!“ wurde zum Mantra der politischen Kaste. Bundespräsident Joachim Gauck machte unter den Deutschen eine Begeisterung für die Flüchtlingspolitik aus, die er mit dem Fußball-Sommermärchen 2006 verglich. Merkel wiederholte unentwegt: „Wir schaffen das!“ und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ergänzte: „Was die Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold.“

Kritiker behielten mit fast allem recht

Die öffentlich-rechtlichen Sender sowie die anderen Leitmedien bejubelten diese Aussagen und behaupteten, es kämen Fachkräfte und junge Familien, die Deutschland dringend brauche und die Sozialkassen füllen würden. Wer diese Lügen mit Zahlen widerlegte und befürchtete, daß Kriminelle und Terroristen einwanderten, galt als „Ausländerhasser“, „Nazi“ oder „Lügner“. Das wiedervereinigte Deutschland erlebte das erste Mal einen massiven Kampf der politischen, medialen und universitären Eliten gegen die Wahrheit. Heute wissen wir, daß die Kritiker mit fast allem recht behielten.

Auch mit den Prognosen für den Arbeitsmarkt: Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit hatte bereits 2017 fast jeder zweite Arbeitslose einen Migrationshintergrund. Ein Jahr später erhielten mehr als 1,2 Millionen Zuwanderer, die aus einem der Asylhauptherkunftsländer stammen, Geld von Jobcentern.

Zum staatstragenden Motto wurde die einst linksradikale Parole „Refu­gees welcome“. Und wer willkommen ist, muß auch nicht mehr gehen. Die Zahl der ausreisepflichtigen Migranten hat aktuell mit 272.000 einen neuen Höchststand erreicht. 221.000 davon werden geduldet. Duldung heißt nicht, daß damit der Aufenthalt anerkannt wäre. Vielmehr bleiben Ausländer weiter aufgefordert, auszureisen, weil kein Asylgrund vorliegt. Allerdings bescheinigt ihnen der Staat, sie derzeit nicht abschieben zu können bzw. zu wollen.

Illegale dürfen bleiben, auch wenn sie Verbrechen begehen. Der Anreiz ist groß: Im EU-Vergleich kommen abgelehnte Asylbewerber in den Genuß besonders hoher Sozialleistungen: 15 Monate nach der Einreise steht ihnen Sozialhilfe in voller Höhe zu. Im ersten Halbjahr hat Deutschland laut Bundes­innenministerium nur 4.600 Personen abgeschoben. Die Zahl sinkt damit weiter. 2019 waren es lediglich 22.100. Der Staat zeigt sich handlungsunwillig, wenn es darum geht, das Recht gegen Migranten durchzusetzen.

Und so gehört es in die Rubrik Staatsversagen, daß ein ausreisepflichtiger und straffällig gewordener Iraker am 18. August auf der Berliner Stadtautobahn einen Terroranschlag verüben und Jagd auf Motorrad- und Autofahrer machen konnte. Es ist das jüngste einer Reihe solcher Attentate, die „Flüchtlinge“ begingen und bei denen der Massenmord auf dem Berliner Weihnachtsmarkt nur die Spitze des Eisberges darstellt. Erinnert sei an den Bombenanschlag auf das Ansbacher Volksfest oder das Messer- und Axtattentat eines „Flüchtlings“ mit vier Schwerverletzten in einem Würzburger Regionalzug.

Kein Asylrecht hat, wer aus sicherem Staat einreist

Rund die Hälfte aller Geduldeten profitiert davon, über keine Reisepapiere zu verfügen. Wer seinen Paß wegwirft, dem bietet Deutschland zahlreiche Vorteile. Er darf nicht nur einreisen, seinen Namen, sein Alter, seine Herkunft verschleiern und damit den Staat betrügen, sondern er muß auch nicht ausreisen. Weltweit gelten Pässe als Bedingung, um eine Grenze überschreiten zu dürfen.

Deutschland hat das Asylsystem zum Werkzeug für unkontrollierte Masseneinwanderung umfunktioniert und versucht seitdem, andere EU-Länder für diesen Mißbrauch in Haftung zu nehmen. Das Stichwort lautet: europäische Solidarität. Doch die Nachbarn weigern sich hartnäckig, bei diesem Spiel mitzumachen. Und so hat die Bundesregierung außer illusorischen Ankündigungen für ein EU-Asylsystem bis heute kein Vorhaben angepackt, mit dem die Zahl der illegal Einreisenden reduziert werden könnte.

Die von Merkel eingefädelte EU-Türkei-Erklärung war sogar kontraproduktiv: Deutlich mehr Menschen holt Europa aus dortigen Flüchtlingslagern, als in die Türkei zurückkehren. Dabei sollte dies ein Nullsummenspiel werden. Außerdem kommen mit Abstand die meisten nach Deutschland, wie die Regierung einräumt – mehr als doppelt so viele wie ins zweitplazierte Frankreich.

Das inzwischen auch wegen der deutschen Flüchtlingspolitik aus der EU ausgetretene Großbritannien will sogar Kriegsschiffe in Bewegung setzen, um eine viel geringere illegale Zuwanderung zu unterbinden. In diesem Jahr kamen rund 3.400 Migranten über den Ärmelkanal – für den Inselstaat laut Innenministerin Priti Patel „erschreckend und inakzeptabel hoch“. Frankreich sei ein sicherer Staat, echte Flüchtlinge sollten dort ihr Asyl in Anspruch nehmen.

Die Politikerin verweist damit auf das Dublin-Abkommen. Deutschland hat diesen Vertrag im Alleingang außer Kraft gesetzt. Demnach müßte der europäische Staat, in dem ein „Flüchtling“ ankommt, das Asylverfahren bearbeiten. Der Zuwanderer hat dort für diese Dauer zu bleiben. Am 25. August 2015 twitterte das BAMF: „Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt.“ Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und sorgte dafür, daß Migranten aus anderen Ländern ihre Pässe wegwarfen und sich als Syrer ausgaben.

Es ist nicht der einzige Rechtsbruch, den die Bundesregierung seit 2015 dauerhaft begeht. Artikel 16a des Grundgesetzes sagt, auf das Asylrecht „kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen (sicheren) Drittstaat einreist“. Fast alle Migranten sind jedoch auf diesem Weg ins Land gelangt. Auch Paragraph 18 des Asylgesetzes ignorieren die Regierenden. Dort heißt es, Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten seien an der Grenze zurückzuweisen.

AfD darf keine Verfassungsklage erheben

Auf dem Höhepunkt der Krise warf der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) der Kanzlerin Angela Merkel daher eine „Herrschaft des Unrechts“ vor. Als ihr Innenminister führt er nun genau diese Politik fort.

Andere sind standhafter geblieben. Der Staatsrechtler Rupert Scholz (CDU) sagte der JUNGEN FREIHEIT 2019, er habe mit Seehofers Umschreibung „keine Probleme“. Er sprach vom „schwersten Verfassungsbruch, den wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jemals erlebt haben“. Der Ex-Verteidigungsminister betonte: „Wer in dieser Weise auf eigene Staatsgrenzen verzichtet, der verzichtet in der weiteren Konsequenz auf die Identität des ganzen Staates.“

Auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Hans-Jürgen Papier, stuft Merkels Asylpolitik als Rechtsbruch ein. In seinem Buch „Die Warnung“ wirft er der Bundesregierung „politische Willkür“ vor und beklagt die „Kapitulation des Rechtsstaats“.

Wegen der Rechtsbrüche vor das BVerfG zu ziehen hatte Bayerns Regierungschef Seehofer angekündigt. Doch eine Klage gegen Merkel auf der Grundlage eines Gutachtens des Ex-Verfassungsrichters Udo Di Fabio, der ebenfalls zu dem Schluß kam, diese sei „berechtigt“, traute er sich dann doch nicht.

Der Gang der AfD vor das BVerfG scheiterte aus formalen Gründen. Weil die Partei zum Zeitpunkt der Grenzöffnung noch keine Bundestagsfraktion stellte, durfte sie auch später nicht klagen. So konnte der bis heute anhaltende offensichtliche Verfassungsbruch der Bundesregierung nie juristisch aufgearbeitet werden. Scholz: „Ich habe keinen Zweifel daran, daß das Bundesverfassungsgericht diese Politik für verfassungswidrig erklärt hätte.“

Die Bundeskanzlerin soll auf ähnliche, in der Unionsfraktion vorgebrachte Kritik an ihrer Einwanderungspolitik mit den Worten reagiert haben: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da.“ Die Zahlen zeigen: Es werden immer mehr „da“ sein. Die Grenzen stehen auch fünf Jahre nach Merkels einsamer Entscheidung weiter sperrangelweit offen.