© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Meldungen

Immer mehr Verdächtige aus U-Haft entlassen 

BERLIN. Die deutsche Justiz muß einer neuen Statistik zufolge immer öfter Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen, weil Strafverfahren zu lange dauern. Im vergangenen Jahr gab es mindestens 69 solcher Fälle, hat eine Erhebung des Deutschen Richterbundes ergeben, die der Funke-Mediengruppe vorliegt. 2018 waren es 65 Fälle, im Jahr davor 51. Staatsorgane müssen sich bei der Strafverfolgung an das sogenannte Beschleunigungsgebot in Haftsachen halten. Die Verfahren müssen schnellstmöglich behandelt werden, solange sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet. Geschieht dies nicht, muß der Häftling unter Berufung auf das Grundrecht der persönlichen Freiheit aus der Haft entlassen werden. „Die Justizstatistiken machen sehr deutlich, daß die Strafjustiz nach wie vor am Limit arbeitet“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn, der Funke-Mediengruppe. Zum einen seien Strafverfahren vielfach aufwendiger geworden, zum anderen mangele es weiter an Personal. Die Justiz müsse besser ausgestattet werden, forderte Rebehn. Besonders belastet seien die Staatsanwaltschaften. Die Zahl der Verfahren, die nach Ermessen eingestellt werden, ist dem Bericht zufolge zwischen 2009 und 2019 um mehr als 200.000 gestiegen, was einer Zunahme von rund 20 Prozent entspricht. Für deutschlandweites Aufsehen hatte im vergangenen Jahr die Freilassung eines Sexualstraftäters aus Berlin gesorgt. Dem Mann wurde sexueller Mißbrauch von Kindern in 50 Fällen sowie der Besitz von 25.000 Dateien mit Kinderpornographie vorgeworfen. Trotz dringenden Tatverdachts mußte er aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil der Prozeß nicht innerhalb der gesetzlichen Frist beginnen konnte. Mittlerweile ist der Verdächtige doch noch zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. (ls)





Untersuchungsausschuß zu Wirecard kommt 

Berlin. Der Wirecard-Skandal soll in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß aufgearbeitet werden. Nach AfD, FDP und Linkspartei plädieren nun auch die Grünen dafür, wie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz am Dienstag nach einer Sondersitzung des Finanzausschusses in Berlin bestätigte. Um einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, muß ein Viertel der 709 Abgeordneten im Bundestag zustimmen. FDP, Grüne und Linkspartei haben zusammen 216 Sitze. Auf die Stimmen der AfD wollen sich die drei Fraktionen nicht stützen. Zentrale Fragen bei der politischen Aufarbeitung sind, wann genau die Bundesregierung von Unregelmäßigkeiten wußte und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat. Im Fokus steht insbesondere die Finanzaufsicht BaFin, die dem Finanzministerium untersteht, sowie Rechnungsprüfungsgesellschaften, die für das Wirschaftsministerium arbeiteten. (ha)