© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Frisch gepresst

Heide-Suez. Im Mai 1968 begann der Bau des bald spöttisch so genannten „Heide-Suez“, des Elbe-Seitenkanals, der den Mittellandkanal mit der Elbe verbinden sollte. Doch je näher der Eröffnungstermin für die neue Wasserstraße rückte, deren ökonomischer Nutzen von Anfang an umstritten war, desto mehr kühlte sich das Interesse potentieller Nutzer ab. Als es im Juni 1976 soweit war, symbolisierte das Projekt kaum mehr als Geldverschwendung in Zeiten knapper Kassen. Insoweit krönte ein Dammbruch, nur wenige Wochen nach der Eröffnung, der zur Überflutung von Teilen des Landkreises Lüneburg führte, diese desaströse Fehlplanung. Was wie ein nur Heimatkundler interessierender Schildbürgerstreich ausschaut, gerät in der Darstellung des Umwelthistorikers Frank Uekötter (Birmingham) zur Mikrogeschichte, die atemberaubende Einblicke in das Innenleben des politischen Systems der alten Bundesrepublik vermittelt. Da sich vergleichbare Debakel in der Gegenwart häuften (BER, Stuttgart 21, Elbphilharmonie), will Uekötter seine Studie auch als Lehrstück über organisiertes Politikversagen verstanden wissen, das das Vertrauen in die Stabilität „westlicher Gesellschaften spürbar schwinden“ lasse. (ob)

Frank Uekötter: Der Deutsche Kanal. Eine Mythologie der alten Bundesrepublik. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020, gebunden, 330 Seiten, Abbildungen, 29 Euro





Pfälzer. Das Spektrum reicht vom Komponisten und US-amerikanischen Marschkönig Georg Drumm über Edgar Julius Jung bis zu Alexander Mitscherlich. Mit seinen kurzweiligen biographischen Skizzen möchte der Historiker Hans-Jürgen Wünschel an Personen erinnern, die in der Pfalz geboren wurden oder „deren Denken und Handeln die Pfälzer in den letzten 200 Jahren beeinflußt haben“. Die letzte Formulierung läßt dann auch Raum für großzügige Interpretationen. So findet der Korse Napoleon, der immerhin jahrelang die Region als Besatzer plagte ebenso Berücksichtigung wie der Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe oder Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg, Mutter von Albert, des Prinzgemahls von Queen Victoria, die es nach ihrer Scheidung in die Region verschlug. Selbst US-Präsident Donald Trump erfährt aufgrund seiner familiären Wurzeln in Kallstadt an der pfälzischen Weinstraße eine Würdigung. (bä)

Hans-Jürgen Wünschel: Lebendige Pfalz. United p.c. Verlag, Berlin 2020, broschiert, 265 Seiten, 19,90 Euro