© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Kabinenklatsch
Wer will in Deutschland der erste sein?
Ronald Berthold

Politische Botschaften haben im Sport nichts verloren und werden bestraft. So steht es überall in den Statuten. Doch wenn es die richtigen Proteste sind, brechen die Verbandsfunktionäre schnell die Regeln. Bekenntnisse gegen Rassismus sind gefragt wie nie und die billigste Art, sich trotz schlechter Leistungen Lob von allen Seiten abzuholen.

Als die Spieler, Trainer und der Manager von Hertha BSC aus Protest gegen US-Präsident Trump 2017 vor dem Spiel gegen Schalke einen kollektiven Kniefall hinlegten, sprach niemand mehr über den folgenden peinlichen Auftritt beim 0:2. Bei den Journalisten, der DFL und in der Politik galten die Herthaner als Helden. Wichtiger als das Ergebnis sei die politische Geste gewesen. Fans, die sich dennoch über die Niederlage ärgerten, galten als reaktionär. Stolz auf ihren Klub mußten sie sein.

Auf die NBA-Basketballer folgten die Eishockeyspieler der NHL, die nun pausiert, um Politik zu machen.

Herthas Kniefall war ein primitives Imitat aus den USA. Insofern dürfen wir gespannt sein, ob es nun auch in Deutschland reihenweise Spielabsagen hageln wird, um ein „Zeichen gegen Rassismus“ zu setzen. Wegen der erschütternden Tat eines weißen Polizisten gegen einen Schwarzen weigerten sich vergangene Woche zunächst die Basketballspieler, zu den Playoff-Spielen der NBA anzutreten. Anhänger, die sich auf die Partien gefreut hatten, waren die Dummen – sie wurden sozusagen Opfer im Kampf gegen Rassismus.

Nachdem die amerikanischen Eliten sofort den Mut der Basketball-Millionäre lobten, zogen die Eishockeyspieler nach. Auch sie traten aus politischem Protest nicht an. Die NHL pausiert, um Politik zu machen. Die Profis lassen sich für ihre Arbeitsverweigerung – politisch korrekt: mutiges Zeichen – feiern. Die Begeisterung der Journalisten ist längst über den großen Teich in die deutschen Medien geschwappt.

Wer will bei soviel Jubel nicht gern hierzulande der erste sein, der sich einen Orden für seinen Gratismut abholt? Und wer traut sich zu sagen, daß er trotzdem spielen will? Was Corona letztlich nicht geschafft hat, könnte die Politisierung des Sports vollbringen.