© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Explosive Stimmung
Italien: Die Lager für illegale Einwanderer platzen aus allen Nähten / Kritik am Schweigen Roms
Marco F. Gallina

Das sardische Monastir wird zu einer Chiffre für den gegenwärtigen Zustand italienischer Migrationspolitik. Bereits seit Mitte August gerät das Aufnahmezentrum in die Schlagzeilen. Die illegalen Einwanderer aus Algerien sorgten für eine „explosive Stimmung“. Übergriffe auf Mitinsassen und Polizisten seien keine Ausnahme. 

Am Montag kam es zu einer Schlägerei, bei der ein illegaler Migrant verletzt wurde. Bereits Mitte August mußten zwanzig Algerier aus Sicherheitsgründen in das hundert Kilometer entfernte Tonara im Hinterland der Insel umquartiert werden. Damit nicht genug: mehrere Migranten sind mit dem Coronavirus infiziert. Rufe nach einem Quarantäneschiff werden laut, um die Verbreitung von Covid-19 auf Sardinien zu unterbinden. „Es ist paradox, daß die Regierung vor wenigen Wochen mit einem Eilakt zwei amerikanische Familien samt Minderjähriger des Landes verwiesen hat, aber illegale Einwanderer aus Algerien auf der Insel behält“, beschwert sich der Regionalpräsident Cristian Solinas. 

Auf Lampedusa, dem italienischen Migrationshotspot, kamen allein in der Nacht vom 29. auf den 30. August 370 illegale Einwanderer an. Mehr als 1.500 Migranten warten nun im Aufnahmelager, mehr als die Kapazität hergibt. Das Innenministerium hat die „ernste Situation“ im Auge und schickte darauf drei neue Quarantäneschiffe. Weitere 60 Migranten erreichten Lampedusa am Montag. Die Zahl der positiv getesteten Personen stieg dabei von 32 auf 53. Die ehemalige Vizebürgermeisterin von Lampedusa, Angela Maraventano, sagte bei einer Demonstration, daß der Staat in Lampedusa „nicht existiere“, man stehe einer „nicht zu regelnden Situation“ gegenüber. Die Insel liege schlicht am Boden. Auch Siziliens Regionalpräsident Sebastiano Musumeci schlägt Alarm: „Sizilien kann nicht weiter die Indifferenz Brüssels und das Schweigen Roms bezahlen. Das ist ein humanitärer und gesundheitlicher Notfall.“

Ex-Innenminister Matteo Salvini nahm die Mißstände bei einer Wahlkampfveranstaltung in Apulien zum Anlaß, um darauf hinzuweisen, daß es in den vergangenen Monaten 20.000 Anlandungen von illegalen Migranten gegeben habe. „Mit mir in der Regierung gab es viermal weniger“, sagte der Lega-Chef.