© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Die Welt wird immer besser
Schwedischer Freiheitsfreund: Zehn Punkte sprechen für Kapitalismus und Globalisierung
Erich Weede

Die Welt ist viel besser als wir denken, und manchmal verbessert sie sich mit atemberaubenden Tempo weiter. Das will uns Johan Norberg, der mit seinem „Kapitalistischem Manifest“ (Eichborn-Verlag 2003) für Furore sorgte, in seinem jüngsten Buch zeigen. Norberg hat Ideengeschichte studiert, lebt in Schweden, arbeitet mit im Cato-Institut in Washington. Er hat sich auch in früheren Publikationen für wirtschaftliche Freiheit und Globalisierung eingesetzt.

Gleich in der Einleitung stellt er fest, daß es in der Vergangenheit keine gute alte Zeit gab, sondern daß es den Menschen heutzutage besser geht als jemals zuvor. Eines seiner Schaubilder deutet mehr als eine Verzehnfachung des globalen Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 200 Jahren an. In zehn Kapiteln listet er nacheinander Zustandsverbesserungen auf.

Öllecks wurden seit 1970 um 99 Prozent verringert

Erstens waren Hunger und Unterernährung typisch für den größten Teil der Menschheitsgeschichte. Noch 1945 war ungefähr die Hälfte der Menschheit unterernährt, 1980 nur noch 20 Prozent, heute (alle Zahlen gelten für die Zeit vor der gegenwärtigen Pandemie) nur noch elf Prozent. In den letzten 30 Jahren wurden zwei Milliarden Menschen vom Hunger befreit. Kunstdünger und verbessertes Saatgut haben wesentlich dazu beigetragen. 

Zweitens hatte noch vor 40 Jahren nur wenig mehr als die Hälfte der Menschheit sauberes Trinkwasser – heute über 90 Prozent. Vor 40 Jahren wurde nur bei einem Viertel der Menschheit das Abwasser entsorgt. Vor Exkrementen geschützt werden heute fast 60 Prozent. Das hat wesentlich zur Zurückdrängung von Seuchen beigetragen.

Verbesserte Ernährung und Hygiene zusammen haben drittens eine steigende Lebenserwartung bewirkt. Global lag sie 1910 noch bei 31 Jahren, jetzt bei 71. Bemerkenswert ist auch, daß bei dem gleichen kaufkraftbereinigten Einkommen heute ein höheres Lebensalter als vor Jahrzehnten erreicht wird. 

Viertens hat der Anteil der Armen an der Weltbevölkerung sich bei Verwendung der Ein-Dollar-pro-Person-und-Tag-Schwelle seit 1820 von 94 Prozent auf zehn Prozent verringert. Im Westen hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in zwei Jahrhunderten kaufkraftbereinigt ca. verfünfzehnfacht, in Indien seit 1950 verfünffacht, in China seit 1950 verzwanzigfacht. Die Verbesserung der Lebensbedingungen der Massen wurde nicht durch Umverteilung, sondern vor allem durch Wachstum erreicht. Nicht nur der Anteil der Armen an der Bevölkerung ist gefallen, sondern trotz Bevölkerungszuwachs sogar deren Anzahl.

Fünftens schwindet Gewaltanwendung. In Europa dürfte die Mordrate seit 1400 um über 90 Prozent gefallen sein. Trotz zweier Weltkriege im 20. Jahrhundert sieht Norberg auch einen Rückgang der kriegerischen Gewaltanwendung, wobei er Handel und Demokratisierung als Triebkräfte erwähnt. 

Sechstens hat sich auch beim Umweltschutz viel gebessert. In Großbritannien hat die Luftverschmutzung sich seit 1970 um mehr als 60 Prozent verringert. Öllecks in den Ozeanen sind im gleichen Zeitraum um 99 Prozent zurückgegangen. Die Wälder wachsen in wohlhabenden Ländern und sogar in China. Naturschutzgebiete wachsen.

Nach Norberg werden Umweltprobleme vor allem in Kombination mit Armut lebensgefährlich. Er präferiert dagegen Armutsbekämpfung durch Wachstum. Beim Umwelt- und Klimaschutz setzt er auf Innovation, auch bei neuen Kernreaktoren. 

Siebtens ist der Analphabetismus global auf dem Rückzug. Vor 200 Jahren konnten fast 90 Prozent der Menschheit nicht lesen oder schreiben, heute gilt das nur noch für wenig über zehn Prozent. Wie schnell sich die Lage bessern kann, zeigt Indien, wo seit 1947 eine Anteilssteigerung der Lesefähigen von 12 auf 74 Prozent gelungen ist.

Achtens ist die Welt freier geworden. Um 1800 war die Sklaverei in den meisten Ländern noch legal. Seit 2007 ist die Sklavenhaltung überall verboten, obwohl es immer noch Schätzungen gibt, wonach 35 Millionen Menschen de facto Sklaven sind. Demokratie und wirtschaftliche Freiheit haben laut gängigen Indizes zugenommen. 

Neuntens sind weniger Menschen Opfer von Diskriminierung. Wie normal bzw. häufig ethnische und rassische Diskriminierung bis vor kurzem noch war, illustriert Norberg mit Verweisen auf anglo-amerikanische Politiker wie Wilson, Roosevelt und Churchill, denen man das nicht zugetraut hätte. Wie selbstverständlich die Diskriminierung der Frauen nicht nur bei der politischen Mitbestimmung, sondern auch bei der persönlichen Selbstbestimmung war, zeigt die Tatsache, daß diesen in Schweden erst 1921 die Mündigkeit eingeräumt wurde. Noch in den 1950er Jahren wurden in den USA homosexuelle Beamte deshalb entlassen, in England eingesperrt oder als ehemalige KZ-Häftlinge in Deutschland von Entschädigungszahlungen ausgenommen. Alles das ist heute undenkbar. 

Zehntens geht es den Kindern viel besser. Früher war Kinderarbeit normal und unvermeidlich, um die Ernährung der bitterarmen Familien zu sichern. Noch der Aufklärungsphilosoph John Locke hielt es für nötig, schon Kleinkinder zur Arbeit anzuhalten. Auch sie ist selbst in armen Ländern auf dem Rückzug.

Im Epilog und im vorzüglichen Vorwort des Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler (FDP) wird die Frage diskutiert, warum diese Verbesserung stattfinden konnte. In Stichworten ist die Antwort: Freies Denken und Wirtschaften, Innovation und technologischer Fortschritt, Kapitalismus und Globalisierung. Auch wer die skizzierte Erklärung für die Verbesserung der Welt unakzeptabel findet, kann anerkennen, daß die Welt nach einer Vielzahl von Maßstäben immer besser geworden ist.

Johan Norberg: Fortschritt. Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer. München, FinanzBuch Verlag München 2020, Softcover, 267 Seiten, 18,99 Euro