© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Held und Heiliger
Klarstellungen zum Mohren: Der Heerführer war urspünglich kein schwarzer Afrikaner
Eberhard Straub

Es gibt keine Absurdität, die moralisch hochgerüsteten Deutschen nicht willkommen wäre in ihrem Kampf für die totale Vorurteilslosigkeit und Sauberkeit. Jetzt haben sich unermüdliche Aktivisten der Weltoffenheit den Mohr zum Ziel ihrer sozialhygienischen Reinigungsarbeit auserkoren. Der Geltungsbereich des Grundgesetzes muß zu einer mohrenfreien Zone werden. Denn der Mohr sei Sinnbild eines verächtlichen Rassismus, der seit Jahrhunderten in Deutschland sein Unwesen treibe. Das ist schlicht und einfach reiner Unsinn. Der schwarze Heilige Mauritius, also ein Mohr, war unter Kaiser Heinrich III. zum Schutzpatron des Römischen Reiches ernannt worden. Kaiser Otto der Große hatte sich 965 unter den besonderen Schutz dieses Heiligen gestellt, der auch ein großer Soldat gewesen war. 

Damit begann der Kult dieses Heiligen im Reich, der dem Kaisertum eine besondere Würde verlieh. Das Schwert des tapferen und vorbildlichen Mohren gehörte als Reichsschwert zu den Reichskleinodien, und seine Lanze war die Heilige Lanze, mit der einst der Leib Christi am Kreuz durchbohrt wurde, um seinen Tod festzustellen. Diese Lanze hatte König Heinrich I. 926 im Tausch gegen Basel vom burgundischen König erhalten, dessen Reich schon lange der Fürsprache des Heiligen Mauritius anvertraut war. Die Heilige Lanze wurde dem Heer vorangetragen, das 955 die Ungarn auf dem Lechfeld besiegt hatte. Sie machte ihren Träger unbesiegbar und gehörte zu den Heiltümern des Heiligen Römischen Reiches. Die Schlacht auf dem Lechfeld sicherte ein für allemal die Grenzen des deutschen Königreiches und dessen Anspruch auf die Kaiserkrone. Das Römische Reich und die Kaiserkrone gewährten den deutschen Königen einen ehrenvollen Vorrang vor allen anderen Königen.

Die Christen wollten nicht ihrem Glauben abschwören

Das alles verdankten sie dem Beistand des heiligen Mauritius, wie Laien und Priester glaubten. Dieser große Soldat und Heerführer stammte aus Theben am Nil, führte die thebaische Legion an und war – wie sein Namen andeutet – Mauretanier, also kein schwarzer Afrikaner. Dazu wurde er erst im Laufe der Jahrhunderte gemacht. Im Jahr 280 n. Chr. erlitt er zusammen mit sechstausend Gefährten den Märtyrertod, weil sie als Christen nicht ihrem Glauben abschwören wollten. Sie waren bereit, dem Kaiser loyal  zu geben, was ihm gebührte und für Kaiser und Reich zu kämpfen, aber nicht mehr. Die Majestät des Weltenkaisers Christus übertraf die Ehre des Kaiser Maximianus bei weitem. Mauritius verhielt sich also wie ein vornehmer Aristokrat und Christ. So wurde er auch immer im Bilde dargestellt: ein edler, eleganter Ritter in einer Prunkrüstung und mit der bedeutungsvollen Lanze und dem Schwert. Am bekanntesten sind die Statue um 1240 im Magdeburger Dom und das Bild des Matthias Grünewald zusammen mit dem heiligen Erasmus von 1521. 

Deutsche hatten überhaupt keine Schwierigkeiten mit einem schwarzen Heiligen. Schließlich war einer der Heiligen Drei Könige aus dem Morgenlande, die dem Christus in der Krippe huldigten, ein Mohr. Ein anderer Mohr, der Kopf eines großherzigen Finanzbeamten aus Äthiopien, vom Apostel Jakobus getauft, befindet sich bis heute im Wappen des Erzbischofs von München – Freising und über diesen Umweg auch im Wappen des  bayerischen Papstes Benedetto. Vornehme Mohren wurden von Wolfram von Eschenbach wie große Herren beschrieben. Gamuret, der Vater von Parzival, hatte aus einem Verhältnis mit der schwarzen Königin Belakane, einer großen Dame mit feinstem Anstand, einen Sohn, Feirefiz genannt,  der als Farbiger später seinem Bruder und Gralskönig diente und später mit seiner hochadeligen Frau nach Indien auswanderte, wo deren Sohn als Priesterkönig Johannes später herrschte.

Der Kopf des heiligen Mauritius – auf deutsch Moritz – ist in Coburg überall zu sehen, weil er der Stadtheilige ist, wie auch in Wiesbaden, Ingolstadt und vielen anderen Orten. Wegen seiner schwarzen Hautfarbe war er der Patron sämtlicher Handwerker, die mit dunkelfarbigen Materialien umgingen wie Messer- und Waffenschmiede, Färber, Glasmaler oder Salzsieder. Die Farbe Schwarz, die oftmals mit Untugenden und dämonischen Umtrieben verbunden war, wurde seit dem 14. Jahrhundert nobilitiert zur Farbe hervorragender Würde, die mit Personen besonderer Autorität verbunden war. Seit Karl V. wird für mehr als ein Jahrhundert Schwarz die Farbe der spanischen Könige, der großen Herren und Damen in Europa, der Priester und Gelehrten. Der schwarze Abendanzug bei offiziellen Veranstaltungen ist heute noch ein Nachklang dieser geschmacklichen Aufwertung des Schwarzen zur Farbe der Vornehmheit und Festlichkeit. 

Aus dem Morgen- und Mohrenlande kamen die geschätzten Gewürze und Heilkräuter, von dort kamen auch die besten Rezepte von sehr geschickten Pharmazeuten. Daher führten seit dem späten Mittelalter gerade Apotheken den Mohren in ihrem Firmennamen, damit andeutend, daß sie weltweite Beziehungen pflegten und auch die extravagantesten Medizinen herzustellen vermochten. Der Mohrenkopf oder der Mohr in ganzer Gestalt warben für Qualität, ein reiches Angebot und versprachen im Vergleich zu Quacksalbern höchste Professionalität. Immerhin ließ sich mit diesen Mohren auch der heiligeMauritius verbinden, weil er bei Gicht, Ohrenleiden und Kinderkrankheiten half. Exquisite Leckerbissen wie der Mohr im Schlafrock mit viel Schokolade und Schlagobers, konnten fast bis heute in Wien nicht alltägliche Freuden bereiten.

„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“

Der Mohr auf den Gläsern und Flaschen des Nürnberger Tucherbieres ist  gleichsam das Gütesiegel für ein ungewöhnliches Bier. Der Mohrenkopf ist der des Heiligen, den die Freiherren von Tucher, eine traditionsreiche Patrizierfamilie, in ihrem Wappen führen, er adelt gleichsam das Bier. Eines der geläufigsten deutschen Sprichwörter lautet in Anlehnung an Schiller: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Muley Hassan, der Mohr aus Tunis in Schillers Drama „Verschwörung des Fiesco“ von 1783 entspricht den gewitzten und verschmitzten Intriganten und Auftragsmördern, die gemeinhin  Italiener verkörperten.

Kurz und gut, mit dem Mohren sind auszeichnende Eigenschaften und außerordentliche Vorzüge verbunden. Und wegen des  Namen Moritz braucht sich keiner zu schämen, es ist der Name eines vortrefflichen Helden und Heiligen, des kühnen Kurfürsten Moritz von Sachsen, der Karl V. zur Abdankung zwang, und des tapferen Marschalls und Lieblings schöner Frauen, des Comte Maurice de Saxe, einem Sohn Augusts des Starken mit der Aurora von Königsmarck.  

Wenn Mohr etwas Abträgliches  meinen sollte, dann müßte auch der Name Moritz abgeschafft werden, weil er jeden Schwarzen beleidigen könnte.  Um eine indessen geläufige, politisch korrekte Redewendung zu variieren: der Mohr gehört seit langem zu Deutschland, und dort soll er weiter bleiben.