© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Wenig Brisantes in der schmutzigen Wäsche
Petitessen: Das Enthüllungsbuch von Trumps Sicherheitsberater John Bolton über seinen früheren Chef
Thorsten Brückner

Es ist nicht die Art von US-Präsident Donald Trump, personelle Abgänge unkommentiert zu lassen. Wer seine Regierung im Unfrieden verläßt, sollte die Tage danach besser Twitter im Auge behalten. Es war also erwartbar, daß Trump für seinen geschaßten Nationalen Sicherheitsberater John Bolton keine warmen Worte finden würde. „Bolton ist inkompetent“ und „Bush hat ihn auch gefeuert“ waren da noch die harmlosesten Attacken. Bolton sei „eine der dümmsten Personen, die er je in Regierungen“ gesehen habe. Wäre es nach ihm gegangen, so Trump, „wären wir heute im sechsten Weltkrieg“.

Viel spannender ist die Frage, was einen Donald Trump, der angetreten war, den Washingtoner Sumpf trockenzulegen und in der Außenpolitik antiinterventionistische Akzente zu setzen, dazu bewogen hat, ausgerechnet den schlimmsten militärpolitischen Falken des Landes in seine Administration zu holen. Boltons Buch „Der Raum, in dem alles geschah“, das Trump gerichtlich stoppen wollte, liefert darauf – zumindest aus der Sicht Boltons – Antworten. Demnach war Trump, ein Mann der gute Fernsehauftritte zu schätzen weiß, vor allem durch Boltons Fox-News-Interviews von dem ehemaligen Bush-Getreuen überzeugt. „Der Mann liebt sie“, soll der damalige Stabschef John Kelly Trumps Haltung zu Bolton beschrieben haben. 

Daß Bolton sich für jedes Amt berufen und befähigt fühlt, wird gleich zu Beginn des Buches deutlich. Er habe Trumps Übergangsteam kurz nach dessen Wahl klargemacht, daß er nur als Außenminister zur Verfügung stünde – nicht als stellvertretender Außenminister oder außenpolitischer Berater. Ziemlich viel Selbstbewußtsein für einen Mann, dessen Lebenslauf als Höhepunkt eine etwas mehr als einjährige Station als UN-Botschafter aufweist. Einen Job, den er ohne Senatsbestätigung und gegen den Widerstand seines früheren Vorgesetzten Colin Powell erhielt.  

Auch diesmal war klar: Bolton hätte im Senat keine Mehrheit bekommen, weswegen nur der spätere Job als Nationaler Sicherheitsberater in Frage kam, der keine Senatsbestätigung erfordert. Für Bolton eine Demütigung, für die er einen klaren Schuldigen ausmacht: Rand Paul, den er im Buch mehrfach erwähnt. Dabei fällt auch, auf Paul gemünzt, der Begriff „Hurensohn“, den er allerdings geschickt Trump in den Mund legt. Für den Sohn des früheren Präsidentschaftskandidaten Ron Paul ist Bolton bekanntermaßen „ein Kriegstreiber, Lügner und Verlierer“. Daß es sich bei Bolton um jemand handelt, der kriegerischen Interventionen nie abgeneigt ist, gibt der Autor aber selbst erstaunlich dreist zu. 

Er geißelt Trump etwa für den Versuch, mit dem nordkoreanischen Führer Kim ins Gespräch zu kommen und schrieb für den Fall, daß Trump seine interne Ankündigung wahrmacht und sich mit dem iranischen Präsidenten Rohani trifft, seine Rücktrittserklärung. Nur wenige Tage nach seinem Antritt als Nationaler Sicherheitsberater erfolgte der Angriff auf Syrien. Besonders der Iran ist für den engen Vertrauten von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu dabei eine Obsession. Auch nachdem der Atomdeal „geschreddert“ war, sei „noch viel zu tun geblieben, um den Iran in die Knie zu zwingen oder das Regime zu stürzen“, schreibt er. Spezialist ist der heute 71jährige übrigens vor allem darin, nicht sich, sondern andere in den Krieg zu schicken. Der Entsendung nach Vietnam entzog er sich seinerzeit geschickt durch seinen Dienst in der Maryland National Guard. Später gab er zu: „Ich hatte keine Lust, in einem südostasiatischen Reisfeld zu sterben.“

Keine Enthüllungen über bereits Bekanntes hinaus

Insgesamt ist der 640 Seiten starke Wälzer selbst für Fans internationaler Politik schwere Kost. Das liegt vor allem daran, daß Bolton das Buch mit unwichtigen Details überfrachtet. Minutengenau hält er im Tagebuchstil fest, wann er in welches Büro im Weißen Haus ging, wann er Telefonanrufe entgegennahm und sich mit Kollegen traf. Dabei scheint stets das Bild eines Mannes durch, der sich selbst viel zu wichtig nimmt. Dazu passend macht er in dem Buch auch Leute runter, die ihm ideologisch eigentlich nahestehen. Seiner Nachfolgerin im Amt des UN-Botschafters, Nikki Haley, spricht er jede Qualifikation ab und wirft ihr vor, sie wolle mit dem Job für spätere Präsidentschaftsambitionen in ihrem Lebenslauf „bei Außenpolitik ein Häkchen setzen“.

Ansonsten wartet das Buch vor allem mit nicht nachprüfbaren Petitessen auf, die Trump als wenig diplomatisches Trampeltier darstellen. Etwa wenn er sich gegenüber japanischen Handelsvertretern über den Angriff auf Pearl Harbor beschwert haben soll oder Angela Merkel mit Blick auf die Verteidigungsausgaben Deutschlands eine „große Stepptänzerin“ nannte. Weitere Vorwürfe wirken geradezu lächerlich. So soll Trump im Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi nur seine Wiederwahl im Auge gehabt haben, als er ihn aufforderte, amerikanische Agrarprodukte zu kaufen. Ein Präsident, der seine Wiederwahl im Auge hat und sich deswegen um die wirtschaftlichen Belange seiner Klientel sorgt? Wie schockierend! 

Der Leser, der sich dennoch zum Kauf entschließt, tut, um nicht unnötig Lebenszeit zu verschwenden, gut daran, relativ zügig in die beiden letzten Kapitel zu springen. Denn ganz zum Schluß thematisiert Bolton, worauf viele sehnsüchtig gewartet haben: Trumps Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky, das letztlich in Trumps Impeachment durch das Repräsentantenhaus mündete. Allerdings geht nichts, was Bolton dabei enthüllt, über bereits bekannte Informationen hinaus. Das Hickhack um seine letztlich am republikanischen Widerstand gescheiterte Zeugeneinberufung vor dem Senat kommentiert er mit den Worten: „Hätte eine Senatsmehrheit der Vernehmung von Zeugen zugestimmt und hätte ich ausgesagt, so bin ich angesichts des damaligen Umfelds aufgrund des Amtsenthebungsfehlers des Repräsentantenhauses überzeugt, daß dies keinen wesentlichen Einfluß auf das Ergebnis des Senats gehabt hätte.“

John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2020, gebunden, 640 Seiten, 28 Euro