© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

„Abstand halten!“
Sportveranstaltungen während der Corona-Krise: Unser Reporter nahm an einem Triathlon bei München teil
Martin Voigt

Abstand halten,“ dröhnt es aus dem Lautsprecher, „was im Supermarkt klappt, muß doch hier auch gehen!“ Nervös hüpfen die Triathleten auf der Stelle oder nesteln noch einmal an der Schwimmbrille. Endlich wieder ein Wettkampf! An Corona denkt hier keiner. Abstand halten? – Bitte, wenn’s sein muß. Schweißgebadet stehen wir in unseren Neoprenanzügen mit großen Lücken aufgereiht bis weit auf den Parkplatz.

Noch angespannter als die Athleten sind die Veranstalter des beliebten Münchener Triathlons auf der Regattastrecke in Oberschleißheim. Seit Februar haben sie an dem Hygienekonzept getüftelt und über Video-Konferenzen mit den Behörden für ihren Triathlon gekämpft. Jetzt soll auf den letzten Metern bloß nichts schiefgehen. Absperrungen wie beim Check-in am Flughafen schleusen die knapp 300 Teilnehmer bis zum Steg. Alle drei Sekunden dürfen wir gleich nacheinander losrennen und uns ins Wasser stürzen. Ein Chip am Fußgelenk mißt die Zeit.

Von den geplanten 29 Triathlons in Oberbayern finden nur zwei statt – unter strengen Auflagen: Keine Zuschauer, keine Betreuer, keine Wettkampfbesprechung, keine Siegerehrung, Maskenpflicht vor und nach dem Wettkampf, und immer wieder: Abstand halten!

Die begrenzte Zahl an Startplätzen ist ausgebucht, und das Niveau im Feld ist hoch. Profis reisen weit an, um ihren Sponsoren wenigstens eine Plazierung zeigen zu können. In einer Saison, die nahezu ausfällt, ist jeder heiß auf einen Start, egal ob Bundesligaathlet oder Hobbysportler.

Die Unterstützung durch die Familie fehlt

„Danke, daß ihr mitzieht und euch an die Regeln haltet. Wir sind froh, daß es losgeht! Wir schenken euch diesen Triathlon!“ Es kommt Bewegung in die Schlange. Ohne daß wir das hier hinten mitbekommen, hüpfen vorne die ersten ins Wasser. Es geht schneller als gedacht. An den Gittern vorbei, rauf auf den Steg, die Zeitmeßmatte piept, ein kurzer Sprint und Sprung. Das Adrenalin treibt einen vorwärts Richtung Wendeboje. Gleitphase! Wasserlage! Unter Streß ist es mit der im Training optimierten Hydrodynamik nicht weit her. Die eineinhalb Kilometer Kraulen werden eine zähe Sache. 

Wer tut sich so etwas eigentlich an? Der typische Triathlet ist deutsch, männlich, Mitte Dreißig und hat studiert. Fünf deutsche Siege in Folge gab es bei der Weltmeisterschaft auf Hawaii. 279 der 2.500 Ironman-Starter sind Deutsche, berichtet tri-mag.de, nur aus den USA qualifizieren sich noch mehr für die WM. Die Deutsche Triathlon Union zählte 2017 über 270.000 Teilnehmer bei Triathlonevents, Tendenz steigend. 

Unter 20 Minuten brauchen die Profis fürs Schwimmen, ich ein bißchen länger. Trotzdem zählt jede Sekun-

de. Schon im Lauf zum Rad ist der Neo bis auf die Hüfte ausgezogen. Helm auf, Startnummernband um, rein in die Schuhe und ab geht’s: Acht Runden ums Ruderbecken. 40 Kilometer unter einer Stunde ist das Ziel. Mit optimistischen 43 km/h geht es in die erste Runde, als ob es kein Laufen gäbe.

Da es keinen Massenstart gab, ist die Konkurrenz auf dem gesamten Rundkurs verteilt und die Uhr die einzige Orientierung. Immer wieder geht der Griff zur Trinkflasche. In der achten Runde ist die Flasche mit der gesalzenen Apfelschorle leer – und die Beine auch. Schon die ersten Schritte in der Wechselzone verheißen nichts Gutes. Es fühlt sich an wie Joggen, nicht wie Laufen. Auch die Stimmung leidet, als zwei Schnelle vorbeiziehen, die für die zehn Kilometer Laufen nur 32 Minuten und für den gesamten Triathlon deutlich unter zwei Stunden brauchen. Das Angefeuertwerden fehlt Corona-bedingt.

Es endet, wie es begonnen hat: „Zügig weitergehen, Abstand halten!“ Kein Bier unter „Finishern“, keine Feier, aber die meisten zieht es ohnehin heim zu den Familien, die nicht zuschauen durften. Wir bekommen eine Maske in die Hand gedrückt und sagen danke: „Wahnsinn, was ihr hier trotz Corona auf die Beine gestellt habt!“

Die Ergebnisse sind wenige Augenblicke später online: Platz 24 in 02:01:31 Stunden. Paßt. Entspannt geht es mit dem Fahrrad nach Hause.