© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Grüner wurd’s doch
Nordrhein-Westfalen: Bei den Kommunalwahlen führt die CDU trotz Verlusten
Werner Becker

Lange Schlangen gab es am vergangenen Sonntag vor einigen Wahllokalen in Nordrhein-Westfalen. Trotz der geringen Wahlbeteiligung von insgesamt 51,9 Prozent mußten die Wähler wegen der Infektionsschutzbestimmungen lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Mit einem Ergebnis von 34,3 Prozent mußte die CDU von Ministerpräsident Armin Laschet im Vergleich zur Kommunalwahl 2014 ein leichtes Minus von 3,2 Prozentpunkten akzeptieren. Stärkste Kraft wurde die Union dennoch. 

Für die SPD hingegen war auch diese Wahl von heftigen Stimmeinbußen geprägt. Sie verlor sieben Prozent in ihrer ehemaligen Hochburg an Rhein und Ruhr und landete mit 24,3 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Große Gewinne hingegen konnten die Grünen (20 Prozent) verzeichnen. Mit einem Plus von 8,2 Prozentpunkten gegenüber der Wahl von 2014 konnten sie ihr Ergebnis fast verdoppeln. Die FDP erhielt landesweit 5,6, die Linke 3,8 Prozent. Die AfD, die sich im Wahlkampf heftigen Anfeindungen ausgesetzt sah, bekam fünf Prozent. In der Nacht zum Sonntag wurde in Stolberg ein türkischstämmiger AfD-Sympathisant, der für die Partei geworben hatte, von einem mutmaßlichen Islamisten niedergestochen.

Das gute Abschneiden der CDU wertete Landesvater Armin Laschet auch als Bestätigung seiner Corona-Politik. Und sicherlich als positiv verlaufenen Stimmungstest im Hinblick auf das Rennen um den CDU-Vorsitz samt dem daraus folgenden Anspruch auf die Kanzlerkandidatur.  Die Landesvorsitzenden der Grünen, Mona Neubaur und Felix Banaszak, sprachen von einem „phantastischen Wahlausgang“. In Köln erhielt die Partei 28 Prozent und wurde damit zweitstärkste Kraft. Sie könnte damit theoretisch ein linkes Regierungsbündnis in der Stadt anführen. In Düsseldorf holte die Partei 24,2, in Münster sogar 30,3 Prozent der Stimmen. Es sind die besten Wahlergebnisse, die die Partei seit ihrer Gründung in den Kommunen Nordrhein-Westfalens je hatte.

Zwar konnte sich die SPD als zweitstärkste Kraft vor den Grünen behaupten, doch mußte sie in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen erneut eine herbe Niederlage verkraften. Das Gesamtergebnis veranlaßte die Bundesvorsitzende Saskia Esken dazu, von einem enttäuschenden Ergebnis und einer bitteren Niederlage zu sprechen. Der SPD-Landeschef Sebastian Hartmann hingegen betonte nach der Wahl das bessere Abschneiden im Vergleich zur EU-Parlamentswahl 2019. 

Auch die „progressive und paneuropäische“ Kleinpartei VOLT erhielt in der größten Metropole des Landes, Köln, 4,9 Prozent der Stimmen. In Bonn, Siegen, Münster, Düsseldorf, Paderborn und Aachen zog sie – erstmals – in die Kommunalparlamente ein. Das türkisch geprägte Bündnis Innovation und Gerechtigkeit (BIG) trat vereinzelt an. Die Partei erhielt zwar keine Ratssitze, konnte aber im Stadtteil Duisburg-Marxloh über 10,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Die rechtsextreme Partei Die Rechte schaffte erneut den Einzug ins Dortmunder Stadtparlament.

AfD-Landessprecher Rüdiger Lucassen war im Vorfeld mit dem Anspruch angetreten, zehn Prozent der Stimmen zu erreichen. Nach der Wahl zeigte sich der Bundestagsabgeordnete  dann auch nicht zufrieden mit dem  Ergebnis. Dennoch konnte die AfD, die erstmals nahezu flächendeckend im einwohnerstärksten Bundesland zur Kommunalwahl angetreten war, ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. In ehemaligen Arbeitermetropolen wie Duisburg, Gelsenkirchen und Oberhausen schnitt die Partei überdurchschnittlich ab und erzielte Spitzenwerte von bis zu 12,9 Prozent. Andererseits waren die Ergebnisse der Partei in den Universitätsstädten Münster (2,5 Prozent) und Bielefeld (3,4 Prozent) schwach. Dort reichte es nur für einen beziehungsweise zwei Stadtratssitze. Mehr als 1.600 Kandidaten hatten sich ehrenamtlich für die Partei aufstellen lassen. 

Der für den Wahlkampf verantwortliche Stellvertretende Landessprecher Matthias Helferich gab sich nach der Wahl optimistisch. Die AfD habe nun die Chance, Politik für die Bürger vor Ort zu machen. „Mit der zunehmenden kommunalen Verwurzelung wird auch der Erfolg und die Professionalisierung der Partei zunehmen“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT.