© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Grüße aus Bozen
Corona und kein Ende
Paul Decarli

Der Zeitpunkt könnte kaum unpassender sein: Großveranstaltungen sind tabu, Händeschütteln eine Todsünde und die Maske Teil der neuen Realität. Und doch besteht die Südtiroler Volkspartei darauf, die bereits einmal verschobenen Gemeinderatswahlen in Südtirol am 20. und 21. September abzuhalten. 

Für alle Parteien bedeutet dies das Einschlagen eines völlig neuen Weges, sei es bei den Themen als auch bei der Kommunikation mit den Bürgern. Die physische Distanz und das aufgebauschte Angstthema Corona lassen im ersten Moment alles auf einen schläfrigen Wahlkampf ohne viel Energie deuten.

 Der Unfähigkeit mancher Landespolitiker sei Dank, ist die Realität anders. Bereits im März sorgte der Gesundheitsrat mit der Bestellung von ungeeigneten Schutzmasken und Einweganzügen über eine private Sportbekleidungsfirma für Furore. Politische Verantwortung wollte er dafür nicht übernehmen, von Rücktritt schon gar nichts wissen.

Aus diesen Fehltritten politisches Kapital zu schlagen, ist die Opposition nicht imstande.

Rücktritt war dann vor wenigen Wochen auch das Wort der Stunde, als mehrere Landtagsabgeordnete um den staatlichen Corona-Bonus für Unternehmer angesucht hatten. Diese 600 Euro Unterstützung waren ausgeschrieben für Selbständige, die durch die Pandemie in wirtschaftliche Schräglage geraten waren. Was die mit rund 7.000 Euro Steuergeld monatlich gefütterten Volksvertreter damit wollten, läßt sich nur auf ihre eigene Habgier zurückführen.

Rücktritte als Konsequenz gab es daraus keine, lediglich die Streichung von einigen Zusatzposten. Für den Chef der größten Oppositionspartei und selbsterkorenen Saubermann der Politik Paul Köllensperger (Team K) gab es intern gar keine Konsequenzen. Dabei spielte auch die strukturelle Schwäche der 2018 neu gegründeten Bewegung eine entscheidende Rolle. Aus diesen Fehltritten politisches Kapital zu schlagen, sind die übrigen Parteien in Südtirol aber nicht imstande. Vielmehr scheint es, daß die frischen Ideen in der Stunde der Not, wo jeder Bürger selbst mit seinem gesellschaftlichen Dasein kämpft, auf wenig fruchtbaren Boden fallen. 

Die meisten Oppositionsparteien setzen dennoch weiter auf Kritik an der Landesregierung und deren Patzer im Krisenmanagement. Diese Strategie gelingt nur in Maßen. Selbst geschwächt, aber von der Lethargie der Opposition getragen, könnte so die Südtiroler Volkspartei wieder als Wahlsieger vom Platz gehen.