© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Meinungen sollen gelenkt werden
Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft: Mit einem „Diversity-Landesprogramm“ hat sich Berlin eine neue Sprache gegeben
Ronald Berthold

Daß in Berlin nicht viel funktioniert, dürfte sich herumgesprochen haben. Zuletzt verlor der Senat vor Gericht gegen die AfD, die gegen die ideologisch motivierten Popup-Radwege geklagt hatte. Auch das politisch motivierte Verbot der Corona-Großdemo kippte die Justiz. Wer soviel Mist baut, braucht eine Schaufensterpolitik, um die in Massen zugewanderte linksgrüne Klientel bei Laune zu halten.

Mit dem „Diversity-Landesprogramm“ hat sich Berlin eine neue Sprache gegeben, die das Herz eines jeden schwäbischen Prenzlauer-Berg-Bewohners höher schlagen läßt, der schon Schnappatmung bekommt, wenn er nur das Wort „Asylbewerber“ hört. Doch nun kann er durchschnaufen: Denn die heißen in der Hauptstadt jetzt „Schutzberechtigte“.

In diesem Fall hebelt Rot-Rot-Grün sprachlich nicht weniger als das Asylverfahren aus, in dem Ämter und Richter darüber entscheiden, ob jemand, asylberechtigt ist. Bei negativen Bescheiden entstehen dann die „abgelehnten Asylbewerber“, die weitaus größte Gruppe dieser Zuwanderer. Auch sie sind nun alle „Schutzberechtigte“. Die Landesregierung begründet die Umbenennung auf haarsträubende Weise: „Weil ein Grundrecht auf Asyl besteht: D.h. Menschen bewerben sich nicht um Grundrechte, sondern haben sie einfach.“

Das Diversitätsprogramm gilt für alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Koordiniert wird es von Justizsenator Dirk Behrendt. Der Grünen-Politiker machte gerade Schlagzeilen, weil er für seiner Ideologie widersprechende Äußerungen ein Meldesystem eingeführt hat – wohlgemerkt für Meinungen, die weder beamten- noch strafrechtlich relevant sind. Behrendt nennt sie „demokratiefeindliche Tendenzen“ und fordert jeden Mitarbeiter auf, diese – auch anonym – zu „melden“. Der Beamtenbund (DBB) kritisiert die „Bespitzelung der Bediensteten“. Von einem „Spitzel- und Denunziationssystem nach DDR-Vorbild“ spricht der Personalrat eines Berliner Gefängnisses in einem Brief an den Senator. Wer sich aus Behrendts Sicht „demokratie-feindlich“ äußert, soll disziplinarische Konsequenzen zu spüren bekommen. Dafür fehle jede Rechtsgrundlage, empört sich der DBB.

Ob es auch schon unter „demokratiefeindlich“ fällt, wenn sich Beamte und Angestellte nicht an die nun geltende Sprachregelung des Senats halten, ist noch unklar. Sicher ist dagegen, daß hier hanebüchene Wortungetüme geschaffen worden sind, um die Wirklichkeit abzulösen.

Es geht dem Senat ausdrücklich darum, mit der neuen Sprache ein neues Denken zu etablieren und Menschen zu manipulieren. Wörtlich heißt es in dem Programm: „Die Neuro- und Kognitionsforschung hat gezeigt, daß sich mit dem Spracherwerb im Gehirn kognitive Deutungsrahmen, sogenannte Frames, formen. Über Sprache und die jeweils adressierten Frames können dann Assoziationen geweckt, Meinungen gelenkt und Handlungen beeinflußt werden.“

Daher tilgt das Land Berlin auch „illegale Migranten“ aus dem Denken seiner Beschäftigten und damit, so hofft der Senat, aus dem seiner Einwohner. Ausländer, „die ohne Genehmigung einreisen oder sich ohne gültige Papiere in einem Land aufhalten“, bekommen einen viel wohlklingenderen Namen: „undokumentierte Migranten“. Logik: Wo das „Illegale“ fehlt, gibt es auch keinen Grund mehr für Abschiebungen. Der Senat hätte damit auch sprachlich seine Mißachtung des Rechts gerechtfertigt. Die Hauptstadt schiebt so gut wie keine Illegalen ab. Einer von ihnen konnte daher kürzlich auf der Stadtautobahn einen Terroranschlag verüben.

Aus Flüchtlingen werden „geschützte Personen“ 

Möglicherweise inspiriert von der Bundeskanzlerin, die für die Deutschen in Deutschland den Begriff „die schon länger hier Lebendenden“ erfand, negiert der Senat nun auch das Wort „Ausländer“. Stattdessen muß es nun – keine Satire – heißen: „Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft“.

Auch dem Begriff „Flüchtling“ geht es an den Kragen. Denn der sei „stark negativ besetzt“. Ob das an der hohen Kriminalitätsrate der illegalen Einwanderer liegen könnte, die als „Flüchtlinge“ ohnehin schon euphemistisch bezeichnet werden? Diesen naheliegenden Gedanken erwägt der Senat zu keinem Moment. „Flüchtlinge“ ist ein ursprünglich empathieerzeugendes Wort, das erst durch die Realität Ablehnung erfährt. Rot-Rot-Grün nennt sie nun „geschützte Personen“. Fragt sich, wie schnell auch der Ruf dieses Ausdrucks versaut ist, weil „schon länger hier Lebende“ Schutz suchen müssen vor „geschützten Personen“.

Ebenfalls grotesk wird es, wenn es um jene Ausländer geht, die in die Sozialsysteme einwandern. Da es laut Senat so etwas nicht gibt, weil – Achtung: wörtliche Begründung – dies „gesetzlich ausgeschlossen ist“, sei auch der Begriff „Wirtschafts-/Armutsflüchtling“ diffamierend. Daher verkehrt Berlin Migration ins Sozialsystem nun ins Gegenteil und nennt es „Arbeitseinwanderung“.

Damit die Beamten wissen, was in der multikulturellen Gesellschaft auf sie zukommt, folgt noch ein kleines Glossar mit islamischen Begriffen wie „halal“ sowie „haram“ und wann genau Ramadan ist. Hier verweist der Senat tatsächlich auf den „islamischen Mondkalender“.

Bei der Bildauswahl sollen Frauen mit Kopftuch „positiv“ dargestellt werden. Als Beispiel zeigt der Senat ein Büro-Foto, auf dem eine Muslima drei eifrig zuhörenden weißen Männern in Chefpose erklärt, wo es langgeht. Vermutlich hätte statt der 78 Seiten allein dieses Motiv ausgereicht, um klarzumachen, was der Senat will.