© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Abbruchkultur
Wie frei sind unsere Museen? Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat eine Debatte angestoßen
Martina Meckelein

Die Einladung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz klang verheißungsvoll: „Proteste, Angriffe, Vorwürfe: Wie frei sind unsere Museen?“ Ihr Chef Hermann Parzinger (61) hatte zur Erörterung dieser Frage vergangene Woche in den Humboldtsaal der Urania nach Berlin geladen. Eine Antwort hatte niemand seiner illustren Gäste. „Das Phänomen der Cancel Culture betrifft die Museen, neue Gruppen beanspruchen Repräsentanz“, steigt Moderator Thomas E. Schmidt, Feuilletonredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, in die 90minütige Diskussion ein. Positionieren mag sich Ina Hartwig, seit 2016 Kulturdezernentin in Frankfurt am Main, zu dieser Form des systematischen Boykotts von Organisationen nicht: „Wir werden von rechts und links attackiert.“

Die Kunsthistorikerin Ulrike Lorenz leitet die Stiftung Weimarer Klassik und will aus Museen Räume für Kontroversen schaffen, in denen „kritik- und urteilsfähige Leute herangebildet werden“. Wie urteilsfähig die Kritiker sind, erlebte Frankfurt bei einer Burka-Ausstellung, der Direktor bekam Morddrohungen. Oder als Emil Nolde ins Visier der NS-Spürnasen geriet und im Büro der Kanzlerin seine Bilder abgehängt wurden. Daß Museen nach Shitstorm-Attacken vorsichtiger mit Cancel Culture umgehen, verneint übrigens die Kulturstadträtin Hartwig.

Wie weit Politische Korrektheit allerdings bereits in die Museuemslandschaft eingezogen ist, berichtet Gastgeber Parzinger. So scheine es Signale der Politik zu geben, daß wegen der Nawalny-Affäre eine Ausstellungseröffnung in Sankt Petersburg zum Politikum gerät. Irritationen, die der Stiftungspräsident gar nicht mag. Die wiederum gefährdeten seinen Museumsdialog mit Moskau.