© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Parole der Woche
Erst denglisch, dann doof
Christian Vollradt

Alle wollen ja sowieso nach Berlin, egal ob abschiedfeiernde Noch-Junggesellen aus Birmingham oder Was-mit-Medien-machende aus Bietigheim-Bissingen. Obwohl also der Platz knapp ist in der Metropole der lässigen Verwahrlosung, braucht sie einen Werbespruch, der signalisiert, daß auch wirklich alle hinwollen müssen. Um mehr nach Birmingham als Bietigheim-Bissingen zu klingen, lautete der Claim (!) über zehn Jahre lang: „be Berlin“. Das hieß nichts und paßte auf alles, ob Spätkauf oder KaDeWe, ob Döner-mit-alles oder Hundedreck unterm Schuh. Nun aber muß was Neues her, anders, aber genauso authentisch. Vielleicht auf deutsch, wäre voll retro, also chic. Flugs hat die Senatskanzlei die Werbeagentur „Jung von Matt“ beauftragt, und für schlappe 1,5 Millionen Euro haben die – schneller als man BER sagen kann – neue Slogans aus dem Hut respektive dem Mac gezaubert: „Wir sind ein Berlin.“ Dazu als Sympathieträger– festhalten – der Berliner Bär. Das ist zum Knuddeln (bitte die Abstandsregeln einhalten) oder um es im Werbersprech zu sagen: eine „partizipative Markenstrategie“, die sich in der Formel „Vom Ich zum Wir“ transportiere. Das allerdings ließ manchen aufhorchen, denn gleichlautend bemäntelte das SED-Regime einst die Enteignung und Zwangskollektivierung in der DDR-Landwirtschaft (JF 38/20).