© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Seuchen im Systemvergleich
Die Cholera in Preußen und den USA
Oliver Busch

Im Sommer 1831 erreichte die „Asiatische Hydra“, die Cholera, Preußen, im Jahr darauf ging sie an der Ostküste der Vereinigten Staaten an Land. Wie eine knappe vergleichende Studie des Leipziger Politologen Wolfgang Fach zeigt, schnitt bei der Seuchenbekämpfung das Krisenmanagement der preußischen Monarchie wesentlich besser ab als die auf ihren schlanken, tatsächlich magersüchtigen Staat so stolze US-Demokratie (Merkur, 9/2020). 

Die Cholera-Epidemie von 1831/32 sei ein Paradefall dafür, wie sich zwei Gesellschaften unterschiedlich entwickeln können und welche Hebelkräfte dahinterstecken. Im Wettbewerb „preußischer vs. amerikanischer Weg“ habe das „durchbürokratisierte Regime“ des autoritär regierten, starken Verwaltungsstaates seine Bürger effizienter geschützt als in den USA, wo der Staat durch Abwesenheit glänzte. Was an der Todesstatistik der damals in etwa gleich großen Metropolen Berlin (200.000 Einwohner) und New York (250.000) abzulesen sei: dort zählte man 1.400, hier 3.500 Opfer der Cholera.

Während in Preußen eine interministerielle Eingreiftruppe unter dem Kommando eines Generals ein engmaschiges Abwehr- und Kontrollnetz knüpfte, das auf im 18. Jahrhundert geschaffene Strukturen des öffentlichen „Medicinalwesens“ aufbaute, vertraute die politische Kaste in den USA der urliberalen Devise, jeder für sich und Gott gegen alle. Etliche Wortführer der New Yorker High Society hätten sogar weiter gedacht und den Unwillen der Regierung gepriesen, auf die Seuche überhaupt zu regieren. Abwarten sei nämlich die beste Medizin, da die Cholera nur den „Abschaum der Stadt“ heimsuche, und je schneller sie dieses „Gesindel ins Jenseits befördert“, desto eher verschwinde sie. 

Bigotterie und Zynismus hätten sich allerdings nicht endlos durchhalten lassen, so daß eine Handvoll besorgter Volksvertreter Wohnquartiere in eigener Verantwortung sanieren ließ. Und dies aus eigener Tasche bezahlte, denn staatliche Finanzhilfen gab es dafür nicht. Trotzdem habe sich die Einsicht, öffentliche Aufgaben würden entweder nach preußischer Art oder gar nicht bewältigt werden, nur ansatzweise, etwa bei der Schulausbildung oder bei Post und Eisenbahn, durchgesetzt. So fand die Cholera auch bei den nächsten Ausbrüchen, 1835, 1849 und 1866 „gastliche Aufnahme“ in dieser „westlichen Wertegemeinschaft“. Erst 1866 hielt streng dosierter „preußischer Geist“ in New York Einzug, mit dem wiederum von Privatleuten gegründeten „Metropolitan Board of Health“.