© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Haltungsnote
„Die Kunst muß frei sein“
Gil Barkei

Angesichts der enger werdenden Meinungskorridore bemerken auch immer mehr „Kulturschaffende“, daß in diesem Staat etwas in die falsche Richtung läuft. Bekommt die Front der linken Neusprech-Ayatollahs Risse, wenn Persönlichkeiten, die es sich im „Mainstream“ bisher eher bequem gemacht hatten, plötzlich ein Licht aufgeht? In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagt der Theater- und Filmschauspieler Lars Eidinger, die aktuelle Debattenkultur „alarmiere“ ihn. „Überall ploppen im Moment wahnsinnig komplexe Debatten auf, aber nur in den seltensten Fällen gibt es den Raum, sich dazu in aller Komplexität zu äußern.“ Der 44jährige „möchte in keiner Gesellschaft leben, die mich für einen einzigen Satz verurteilt“. Die Kunst müsse „frei sein“, betont er. „Wenn man sich moralisch einschränken läßt, wenn einem immerzu Böses unterstellt wird, dann werden wir über kurz oder lang verstummen.“ Ihm selbst sei für seine Rolle als Richard III. bereits „Crippling up“ vorgeworfen worden; also daß er mit der Darstellung von Behinderten Erfolge feiere. „Wo ist da die Grenze?“ fragt Eidinger, und es bleibt die Hoffnung, daß er diese Frage beim nächsten Galaempfang oder bei der nächsten Produktion auch seinen Kollegen direkt stellt.