© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Kabinenklatsch
Das Leitbild überarbeiten
Ronald Berthold

Was die Toleranz von Fußball-Funktionären angeht, ist man einiges gewöhnt. Werder Bremens Präsident erklärte einst, daß AfD-Wähler im Weserstadion nicht willkommen seien. Einem Fan, der die satzungsgemäße Neutralität einforderte, drohte er nach 30 Jahren den Entzug der Dauerkarte an. Gesinnung steht eben über der Liebe zum Verein. Daß Fußball alle Schichten und politischen Strömungen verbindet, ist so was von 20. Jahrhundert.

Auch bei Eintracht Frankfurt sieht sich Präsident Peter Fischer als Gralshüter der politischen Einseitigkeit: Kein AfD-Wähler dürfe Mitglied in seinem Verein sein. Denn dies würde gegen die Satzung verstoßen. Schließlich stehe da drin, man sei für Toleranz. Dieses „mutige Bekenntnis“ brachte ihm zivilgesellschaftliche Preise ein. Und der Eintracht-Fanklub der Bundestagsabgeordneten ernannte ihn zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit.

Soll hier eine Debatte von hinten durch die Brust ins Auge erst angestoßen werden?

In Zeiten, da der Fußball aus Sicht der Bosse einen klaren Klassenstandpunkt vertreten und immer treu zur Merkel-Regierung stehen muß, verwundert es kaum, daß DFB-Präsident Fritz Keller jetzt ankündigt, das Leitbild des Verbandes zu überarbeiten. Die richtige politische Haltung zieht nun auch offiziell in den 7,2 Millionen Mitglieder starken DFB ein. Dieser müsse „für klare Werte“ stehen und „einen Beitrag für die Gesellschaft leisten“, meint Keller. Wie der aussehen wird, läßt sich unschwer erraten. Zumal der Präsident betont, daß er Profis bewundert, die für die gewaltbereite „Black Lives Matter“-Bewegung Reklame laufen.

Aber: Was möchte Keller uns damit sagen, Spieler, die AfD-Mitglied seien, nicht aus der Nationalelf ausschließen zu wollen? Kein einziger solcher Fall ist bekannt – „zum Glück“, sagt der Funktionär. Sein Satz kam aus heiterem Himmel. Will er damit vielleicht von hinten durch die Brust ins Auge eine solche Debatte erst anstoßen? Schließlich hatte den Kollegen vom Deutschen Eishockey-Bund ein Statement für Donald Trump gereicht, um den in den USA spielenden Weltklasse-Torhüter Thomas Greiss um die Olympia-Teilnahme zu bringen.