© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Grüne Gewinner
Christian Schreiber

In Bonn hat sich ein Machtwechsel vollzogen: Die frühere Bundeshauptstadt wird künftig von einer Grünen-Politikerin regiert. Nach 21jähriger SPD- und fünfjähriger CDU-Regentschaft ändern sich auch in der Studentenstadt die Verhältnisse. Katja Dörner setzte sich mit 56,3 Prozent gegen den CDU-Amtsinhaber Ashok-Alexander Sridharan durch, der auf 43,7 Prozent kam. Neben dem Erfolg in Bonn waren die Grünen bei den Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen auch in Aachen und Wuppertal erfolgreich. Was die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock dazu veranlaßte, europhorisch zu twittern: „Was für grandiose Ergebnisse aus NRW.“

Eindeutige Trends lassen sich aus den Wahlergebnissen allerdings nicht herauslesen, allenfalls die keineswegs neue Erkenntnis, daß die Grünen in westdeutschen Großstädten jede Menge Potential haben. Norbert Röttgen, Kandidat um den CDU-Vorsitz, spricht bereits von einem Kampf um die Mitte. „Dieser Kampf wird mittlerweile zwischen der CDU und den Grünen ausgetragen“, sagte er der Rheinischen Post. „Wir müssen daraus für die Bundestagswahl lernen, weil wir die größten Überschneidungen der Wählerschaft mit den Grünen haben.“ Für die Bundestagswahl müsse die CDU „nicht grüner als die Grünen werden, aber besser“. Teilweise gab es auch Absprachen zwischen der Union und der Öko-Partei.

In der einzigen Millionenstadt Köln behauptete sich die von Grünen und CDU unterstützte parteilose Politikerin Henriette Reker gegen einen SPD-Herausforderer. Die arg gebeutelten Sozialdemokraten schafften es aber immerhin, ihre Hochburg Dortmund zu halten. Der CDU-Kandidat Andreas Hollstein hatte im ersten Wahlgang rund zehn Prozentpunkte hinter Amtsinhaber Thomas Westphal gelegen, doch hatten die Grünen für die Stichwahl eine Wahlempfehlung für Hollstein abgegeben. Diese begründete die Partei mit ihrem Wunsch nach einem Politikwechsel im Rathaus – vergebens.

Seit 1946 stellt die SPD in der sogenannten „Herzkammer der Sozialdemokratie“ permanent den Oberbürgermeister. Erfolgreich war die SPD auch in der früheren CDU-Hochburg Mönchengladbach. In Krefeld und Bielefeld verteidigte die Partei das Spitzenamt im Rathaus. In Düsseldorf, aber auch in Mülheim an der Ruhr und Wuppertal verlor die SPD dagegen den Rathaussessel an die CDU. Neuer Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt wird der bisherige Stadtdirektor von Köln, Stephan Keller. Er gewann die Stichwahl gegen Amtsinhaber Thomas Geisel von der SPD. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte gegenüber dem Nachrichtensender n-tv, die Düsseldorfer und Stephan Keller hätten die „Ehre der CDU“ gerettet: „Wir können auch in großen Städten gewinnen.“

Daß die Corona-Krise durchaus eine Rolle bei der Stichwahl gespielt hat, zeigt ein Blick auf das Ergebnis in der nördlichen Ruhrgebietsstadt Hamm. Die Kommune ist derzeit die Stadt mit dem höchsten prozentualen Anteil an Neuinfektionen. Dort siegte der SPD-Politiker Marc Herter über den langjährigen CDU-Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann (CDU). Der 67 Jahre alte Amtsinhaber kam nur auf 36,4 Prozent der Stimmen. Ihm wurde zuletzt ein schlechtes Corona-Management vorgeworfen.