© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

Allerlei dagegen
Reaktionen: Das Migrationspaket der EU-Kommission erzeugt in Deutschland ein höchst unterschiedliches Echo / Kritisiert wird es von links bis rechts
Peter Möller

Wenn es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrem Vorschlag für eine neue Asylpolitik darum ging, möglichst viel Widerspruch von allen politischen Seiten auf sich zu ziehen, dann war sie damit vor allem in Deutschland erfolgreich. Sowohl von links als auch von rechts hagelte es Kritik an den vergangene Woche vorgestellten Plänen, die unter anderem eine strengere Kontrolle der Außengrenzen der EU, schnellere Asylverfahren und mehr Abschiebungen vorsehen (siehe Seite 8).

Für die Linkspartei ist damit eine rote Linie überschritten. „Die Asche von Moria ist noch heiß, und schon strickt die EU-Kommission an einer Ausweitung des menschenverachtenden Lagersystems auf die gesamte EU-Peripherie“, polterte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Ulla Jelpke. In Schnellverfahren an den EU-Grenzen über die Schutzberechtigung von Menschen zu entscheiden, widerspreche dem Grundcharakter des Asylrechts massiv.

„Teuflischer Pakt der Entrechtung“

Auch aus der entgegengesetzten politischen Richtung kam deutlicher Widerspruch: „Brüssel scheint illegale Migration als gottgegebenes Schicksal zu begreifen, dessen man sich nicht erwehren kann“, sagte die Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel. „Dabei wäre es so einfach: Ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen, volle Unterstützung für die Grenzstaaten beim Sichern der Küsten, verbunden mit einem effektiven Kampf gegen Schlepper und mehr Hilfe vor Ort sind die Schlüsselaufgaben einer geregelten Migration.“ Die neuen Pläne seien nichts anderes als ein weiterer Angriff auf die Souveränität der Mitgliedsstaaten, dem „Einhalt geboten werden“ müsse.

Wenig überraschend fiel die Bewertung der Pläne von der Leyens durch die Bundesregierung, die sich in der Asylfrage seit Jahren um eine europäische Lösung bemüht, wesentlich positiver aus. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete die Vorlage der EU-Kommission als „eine gute Grundlage für die weiteren Beratungen“, um bei dem umstrittenen Thema zu einer Einigung zu finden. Er appelliere an die übrigen EU-Mitglieder, „jetzt nicht reflexartig in die Deckung zu gehen“, sondern ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten. Für die Bundesregierung ergebe sich jetzt die Möglichkeit, noch während ihrer EU-Ratspräsidentschaft bis Jahresende eine Einigung herbeizuführen. „Uns allen sollte klar sein: Die Migrationspolitik entscheidet über das Schicksal Europas“, sagte er, denn derzeit gebe es keine funktionierende europäische Migrationspolitik. „Das haben uns zuletzt die Vorgänge in Moria deutlich vor Augen geführt.“

Dagegen bezeichnet Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt die Pläne aus Brüssel als vertane Chance. „Die Vorschläge der EU-Kommission zum neuen Migrationspakt zeigen weder Solidarität mit Geflüchteten noch mit den betroffenen EU-Außengrenzstaaten“, sagte sie der Welt. Erstankunftsländer wie Griechenland, Italien, Spanien und Malta würden auch danach weitgehend alleine handeln müssen. 

Auch die SPD-Europaparlamentarierin und frühere Bundesjustizministerin Katarina Barley schlug in dieselbe Kerbe. „Die Hauptverantwortung und damit auch die Hauptlast bleibt bei den Außengrenzenstaaten, also zum Beispiel Griechenland, aber auch Italien, Malta, Spanien. Jetzt soll ihnen stärker geholfen werden von den anderen Mitgliedstaaten. Ich bin gespannt, ob das am Ende klappt, denn Ansätze dafür hatten wir schon oft. Und bisher haben weder Drohungen noch Anreize dabei geholfen.“

Flüchtlings-Lobbyorganisationen gehen mit den Plänen besonders scharf ins Gericht. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, bezeichnete die Vorschläge als „teuflischen Pakt der Entrechtung“. Er warf der EU-Kommission vor, sie ließe sich von Rechtspopulisten treiben und verrate „das Asylrecht und die Menschenrechte von Schutzsuchenden.“ Pro Asyl wirft der EU-Kommission insbesondere vor, mit ihren Plänen de facto ein Zwei-Klassen-Asylsystem einzuführen: „Die einen bekommen ein Schnellverfahren an der Grenze, die anderen ein reguläres Asylverfahren.“ Burkhardt forderte das Europaparlament auf, die Pläne abzulehnen.