© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

„Deutschland rocks!“
Tesla-Fabrik: Widerstand gegen den „absoluten Willen“ von Elon Musk
Paul Leonhard

Ab 2025 gibt es ein bezahlbares E-Auto von Tesla. Das behauptet Ferdinand Dudenhöffer, pensionierter Ökonom von der Uni Duisburg-Essen. Die Pläne des US-Konzerns seien zwar „überehrgeizig“, das betreffe aber nur die Zeitschiene, denn der medial zum „Autopapst“ ernannte Chef des privatisierten CAR-Instituts glaubt an einen „Volkswagen von Tesla“ mit mehr als zwei Millionen produzierten 25.000-Dollar-Autos.

Solche Lobeshymnen erklären, warum Tesla am Montag einen Börsenwert von 395 Milliarden Dollar hatte – dabei produzierte die Firma 2019 nur 367.500 Autos. Die BMW AG kam trotz 2,56 Millionen gewinnbringend verkauften Premium-Pkws nur auf 54 Milliarden Dollar Börsenwert. Doch Tesla-Chef Elon Musk hatte am 22. September, dem „Battery Day“, versprochen, daß dank optimierter Batterien und Produktionsverfahren der Antrieb eines E-Autos bald günstiger sei und man langfristig 20 Millionen Autos bauen werde, also fast doppelt so viele wie die Platzhirsche VW und Toyota zusammen.

„Ein Gefühl und eine Lebenseinstellung“

Aber Dudenhöffer hatte 2017 auch behauptet, „ab 2019, 2020 wird es auch auf dem deutschen Markt jede Menge ‘vernünftige’ Elektroautos geben – mit Reichweiten von 500 Kilometern und mehr.“ Eine ADAC-Aufstellung zeigt, daß es derzeit nur wenig Auswahl gibt. Lediglich Wasserstoff-Brennstoffzellenautos in Kleinserie wie der Mini-SUV Hyundai Nexo oder der kleine Toyota Mirai kommen auf die versprochenen Realreichweiten – für Preise um 70.000 Euro. Ein Opel Corsa-E oder Peugeot e-208 für die Hälfte kommen wegen „Außentemperatur, persönlicher Fahrweise oder Streckenbeschaffenheit“ kaum auf die Hälfte der Reichweite.

„Man muß bei Teslas Produktevents immer eine Fußnote der Vorsicht anhängen: Keine der propagierten Zahlen ist bislang unabhängig überprüft, und Musks Prognosen sind nicht immer akkurat“, erinnert das Handelsblatt und verweist auf die beim „Autonomy Day 2019“ angekündigten selbstfahrenden Autos, die weiter auf sich warten lassen.

Auch die Produktqualität ist im Vergleich zu deutschen oder japanischen Autos unterirdisch, aber „Tesla ist eine Art Apple-Produkt auf vier Rädern und viel mehr als nur eine Automarke. Dahinter steht ein Gefühl, eine Lebenseinstellung, eine eingeschworene Kunden-Gemeinschaft“, konstatiert die Auto-Zeitung. Durch das neue Batteriezelldesign „sind 16 bis 18 Prozent höhere Reichweiten möglich, gleichzeitig kann so ein System bis zu sechsmal schneller geladen werden, glaubt Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm. Doch warum sollte dieser „Quantensprung“ nicht auch europäischen und asiatischen Herstellern gelingen? Die Technik ist seit Jahren bekannt.

Auch in Brandenburg, wo in der Gemeinde Grünheide bei Berlin die Tesla-„Gigafactory“ aus dem Sandboden gestampft wird, läuft nicht alles rund. In der Stadthalle des benachbarten Erkner läuft eine mehrtägige Erörterung zum Tesla-Genehmigungsverfahren. Mehr als 400 Einwände sind bisher eingegangen. 110 empörte Kritiker hatten sich vorige Woche persönlich eingefunden. Es ging um die Rodung des Waldes, die extensive Wassernutzung und um die Baumaßnahmen, die auf 90 Hektar und mit vorläufigen Genehmigungen bereits erfolgen.

Laut Tesla-Manager Evan Horetsky ist die Fabrik zu 20 Prozent fertig. Ab Sommer 2021 sollen mit 12.000 Beschäftigten in einer ersten Ausbaustufe 500.000 Elektroautos pro Jahr gebaut werden, später auch Batterien. „Deutschland rocks!“, hatte Elon Musk mit starkem Akzent bei seinem Besuch am 3. September angesichts des Baufortschritts begeistert gerufen. Am 1. Dezember bekommt er den „Axel Springer Award“ – was die begeisterte Tesla-Berichterstattung in Bild und Welt erklärt. Musk sei einer der „kreativsten Unternehmer und brillantesten Ingenieure des digitalen Zeitalters“, der „große Visionen mit dem absoluten Willen zur Umsetzung“ verbinde, schwärmte Springer-Chef Mathias Döpfner.

Musk spart nirgends mit Eigenlob in höchsten Tönen

Mit Marketing-Sprech wie: „Die Gigafactory Berlin-Brandenburg wird ein ideales Arbeitsumfeld mit modernen und nachhaltigen Merkmalen sein“, wirbt Tesla europaweit um Fachkräfte. „Es wird super Spaß machen“, verspricht Musk persönlich. Technologien und Produktionsmethoden würden auf dem neuesten Stand sein. Das glaubt auch die IG Metall, vermutet aber, daß es die Amerikaner mit den Arbeitnehmerrechten nicht so genau nehmen. Es war Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, der Musk auf die geltende Mitbestimmung und Tarifverträge aufmerksam machte. Hinweise, die „nicht euphorisch aufgenommen“ wurden, so der Sozialdemokrat in der FAZ.

Zwar gibt es in einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) – anders als in einer deutschen AG – keine klassische Mitbestimmung. Aber „wir erwarten, daß die Tesla Manufacturing Brandenburg SE „die deutsche Mitbestimmungskultur respektiert“, so Stefan Schaumburg, IG-Metall-Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen. Denn im Gegensatz zu Amazon, wo es um das Bestücken von Bestellpaketen geht, ist Autobau Hochtechnologie – auch Ingenieure aus Stettin lassen sich nicht mit McDonald’s-Löhnen abspeisen. Und welcher in Bayern oder NRW entlassene Autoingenieur oder Facharbeiter geht freiwillig nach „Ostelbien“, wie Konrad Adenauer formulieren würde?

Die deutsche Konkurrenz sieht Teslas Offensive entspannt. Bei der derzeitigen Messe „Auto China 2020“ präsentieren sie vor allem leistungsstarke Benziner. Denn bislang fahren nur vier Millionen E-Autos auf den Straßen des 1,4-Milliarden-Einwohner-Reiches. Dieses Jahr sollen eine Million hinzukommen – bei einem Marktvolumen von etwa 20 Millionen Pkws jährlich, das wären fünf Prozent. Und warum sollen die Chinesen bei einem E-Auto zu einem Tesla X oder Y vom Erzfeind USA greifen, wenn das neue BMW-SUV iX3 „made in China“ weit mehr Imagegewinn und Qualität verspricht?

„Wir müssen uns vor dem kalifornischen Wettbewerber nicht verstecken, sowohl was die Reichweite als auch die Kosten angeht“, versichert Mercedes-Produktionsvorstand Markus Schäfer, der 2019 für die Herstellung von 3,3 Millionen Hochpreis-Pkws verantwortlich war. VW-Chef Herbert Diess sieht sich bereits auf der Überholspur: „Wenn in der Industrie jemand die Chance hat, Tesla zu überholen, ist es Volkswagen.“ Denn wer wirklich ein subventioniertes E-Auto will, wird hierzulande zu ID.3 oder ID.4 „made in Zwickau“ greifen. Tesla verkaufte von Januar bis August 8.152 Autos in Deutschland – VW trotz Corona 326.783.

Bürgerinitiative Grünheide:

 www.bi-gruenheide.de

 www.tesla.com