© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

„Gorleben ist raus – amtlich bestätigt“
Kernkraftwerke: Bundesgesellschaft für Endlagerung legt Zwischenbericht vor / Kommt Bayern in die engere Wahl? / Alternative Wiederaufbereitung
Jörg Fischer

Die taz sprach am Montag vielen Besorgten im Landkreis Lüchow-Dannenberg im östlichen Niedersachsen aus der Seele: „Aus. Vorbei. Gorleben ist raus – amtlich bestätigt. Der Salzstock im Wendland wird kein Standort für ein deutsches Endlager für hochradioaktiven Atommüll.“ Auch Vorpommern, Ostbrandenburg, das Rheinland, die Pfalz, Hessen, das Vogtland, Südbaden, Schwaben und Oberbayern sind aus dem Schneider, das bescheinigte der „Zwischenbericht Teilgebiete“ der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE).

Alle anderen Gebiete – 54 Prozent des Bundesgebiets – sind zumindest teilweise und prinzipiell geeignet für die Lagerung der strahlenden Hinterlassenschaft von 60 Jahren Kernenergienutzung in Deutschland. Denn hier gibt es eine „günstige geologische Gesamtsituation“ – also Salzstöcke, Tonformationen oder „kristallines Wirtsgestein“. Letzteres findet sich in Sachsen und teilweise in Thüringen – aber vor allem in Franken, der Oberpfalz und Niederbayern. Und das hat für Schnappatmung in der Münchner Staatsregierung gesorgt.

CSU-Ministerpräsident Markus Söder behauptete in seiner Not, die Gesteinsschichten mit Ton seien im Freistaat deutlich dünner und die Regionen mit Granit seien zerklüftet und deshalb ungeeignet. Ernsthaftere Argumente nannte sein Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: Die jetzigen überirdischen Zwischenlager in Bayern, die de facto jahrzehntelange Endlager seien, würden in der Debatte ausgeblendet. „Wir haben Standorte, wenn da ein Flugzeug draufknallt, dann ist sich keiner sicher, was da passiert“, warnte der 49jährige Bundesvorsitzende der Freien Wähler (FW) im Deutschlandfunk.

Er glaube auch nicht, wenn „heute der Bau einer Umgehungsstraße 50 Jahre dauert“, daß – wenn 2031 der Standort feststehe – das Endlager bis 2050 in Betrieb gehe. Stattdessen sollten die Kapazitäten darauf konzentriert werden, „nicht eine Million Jahre einzulagern, sondern das Zeug vielleicht irgendwie weiterzuverarbeiten und zu entschärfen“, so Aiwanger, der im Gegensatz zum Verwaltungsjuristen Söder als Agraringenieur technisches Grundwissen hat. Eine Möglichkeit wäre etwa ein Hybridreaktor (accelerator-driven system/ADS), der Strom produziert und gleichzeitig langlebige AKW-Abfälle durch Transmutation „entschärft“. In Japan gibt es dazu bereits seit 2009 eine Versuchsanlage (j-PARC). Dieser Wiederaufbereitungsanlage für Atombrennstäbe (RKSS) in Rokkasho (Nordostpräfektur Aomori) wurde in diesem Jahr nach sechsjähriger Prüfung von den japanischen Behörden eine ausreichende Sicherheit attestiert. Die Betreiberfirma JNFL will hier bis zu 800 Tonnen verbrauchte Brennstäbe pro Jahr aufbereiten. Noch Zukunftsmusik ist der Dual-Fluid-Reaktor (DFR, JF 21/19), der aber ebenfalls eine Teillösung der Endlager-Thematik wäre.

Voraussetzung wären hierfür aber AKW-Betriebsgenehmigungen – und die sind in Deutschland trotz offizieller CO2-Phobie illusorisch. Keine vier Autostunden östlich von München sieht das ganz anders aus: Die tschechische Atomaufsicht SÚJB erteilte vorige Woche – bei obligatorischen jährlichen Sicherheitsüberprüfungen – eine unbefristete Genehmigung für den weiteren Betrieb des Blocks 1 des AKW Temelín.

Zusammen mit dem Block 2 deckt das Kraftwerk des Energiekonzerns CEZ im südböhmischen Bezirk Budweis etwa ein Fünftel des tschechischen Strombedarfs. Und Strom ist in der Tschechei, auch dank der von CEZ für Oktober angekündigten Preissenkung, nur etwa halb so teuer wie in Deutschland.

„Zwischenbericht Teilgebiete“ der BGE: www.bge.de