© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

„Springer wird weiterhin Springer bleiben“
Verlegerin Friede Springer macht Mathias Döpfner mit einer Schenkung zu ihrem Nachfolger
Ronald Berthold

Schon als der über zwei Meter große Mathias Döpfner 1998 zum Springer-Verlag wechselte, fand er in Friede Springer seinen größten Fan. Der damals 35jährige beeindruckte die Verlegerwitwe mit perfekten Manieren und konservativem Weltbild. Er erinnere sie an ihren 1985 verstorbenen Mann, schwärmte die mächtigste Frau des Hauses. Sie soll sogar von einer „Reinkarnation Axels“ gesprochen haben. Zunächst leitete der charmante Mann als Chefredakteur die Welt, zwei Jahre später trat er in den Vorstand ein, dessen Vorsitz er 2002 übernahm.

Seitdem sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen, und an der innigen Beziehung zwischen dem CEO und der Eigentümerin hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Sie ist über all die Jahre noch gewachsen. Friede Springer wurde Patentante des zweiten Döpfner-Sohnes und schenkte ihm bereits vor acht Jahren Aktien im Wert von 73 Millionen Euro. Ihr Ziel: Döpfner vor Abwerbeversuchen anderer Unternehmen zu immunisieren. Nun gipfelt die Geschichte in einer einzigartigen zweiten Schenkung. Die inzwischen 78 Jahre alte Verlegerin übereignet dem Axel-Springer-Vorstandschef 15 Prozent der Konzernaktien. Damit wird Döpfner über Nacht zum Milliardär. Denn die Papiere haben einen Wert von 1.000.000.000 Euro. 

Der Deal ist jedoch noch umfassender, so daß Döpfner nicht nur qua Eigentum zum wichtigsten Mann im traditionsreichen Verlag wird. Denn der einstige Musikkritiker der FAZ kauft Friede Springer darüber hinaus 4,1 Prozent der Aktien ab. Die dafür fälligen 276 Millionen Euro wird er sich leisten können. Denn Döpfner verfügte schon über 2,9 Prozent der Anteile. Bei dem seinerzeitigen Kauf habe er sich damals „hoch verschuldet“, sagt er heute.

Erfolgreich in die Digitalisierung geführt

Insgesamt besitzt der 57jährige damit 22 Prozent aller Springer-Aktien – genauso viele wie die Verlegerin. Für diese darf Döpfner nun obendrein auch das Stimmrecht ausüben. Er zieht mit dieser Entscheidungsgewalt fast mit dem Investor KKR gleich, der mit 47,6 Prozent seit vorigem Jahr auf dem größten Batzen sitzt. Für den Fall ihres Todes will Friede Springer ihre verbleibenden Anteile allerdings nicht an ihren Ziehsohn vererben, sondern „in eine gemeinnützige Gesellschaft überführen“.

Döpfner wird sehr lange, nach eigenen Worten „immer“, bleiben. Seiner Gönnerin versprach er vor laufender Kamera: „Ich werde alles für das Unternehmen geben, um es im Sinne des Gründers und in Deinem Sinne immer zu führen.“ Wie lange der US-Finanz­investor engagiert bleibt, ist dagegen offen. KKR war zuvor unter anderem beim Dualen System (Grüner Punkt) und bei Hertha BSC jeweils ein- und ziemlich schnell wieder ausgestiegen.

Wer nun glaubt, die einschneidende Änderung der Besitzverhältnisse beim großen deutschen Medienhaus sei der Gefühlsduselei einer älteren Dame geschuldet, der irrt. Es sind Döpfners Leistungen, die Friede Springer zu diesem Schritt veranlaßt haben dürften. Als erster unter den großen Medienmachern setzte der CEO bereits vor mehr als einem Jahrzehnt auf die Digitalisierung – und damit die Erweiterung des Kerngeschäfts: Allmählich weg von der gedruckten Zeitung hin zu Internetportalen wie „Immowelt“, „Business Insider“ oder „Stepstone“.

Die Transformation, die 2014 im Verkauf der Traditionsblätter Hörzu, Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt ihren sichtbarsten Höhepunkt erlebte, fand intern viele Kritiker. Bereits fünf Jahre zuvor hatte Springer seine Beteiligungen an zahlreichen norddeutschen Regionalzeitungen (u.a. Lübecker Nachrichten, Kieler Nachrichten) aufgegeben.

Im nachhinein zeigt sich, daß Döpfner mit enormem Gespür sehr früh einen Trend erkannt hatte, der Axel Springer das Überleben rettete. Während Mitbewerber wie die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine durch Vertrauens- und Anzeigenkrise sowie Abwanderung der Leser ins Netz ins finanzielle Schlingern geraten sind, steht sein Unternehmen zwar nicht glänzend, aber relativ gut da.

2019 fuhr Springer bei 3,1 Milliarden Umsatz einen Gewinn von 263,7 Millionen Euro ein. Auch die Perspektive für die kommenden Jahre sieht alles andere als desolat aus. Sie ist deutlich unabhängiger geworden vom wirtschaftlichen Erfolg der beiden publizistischen Schlachtschiffe Bild und Welt.

Daher sind die Worte Friede Springers in der nicht immer ehrlichen Branche durchaus ernst zu nehmen: Sie sei „froh und dankbar, daß ich mit Mathias meinen Nachfolger gefunden habe“. Schon in den Jahren zuvor hatte die Kanzlerin-Freundin stets betont, wie wichtig es ihr sei, für „Kontinuität im Unternehmen“ zu sorgen. Jetzt bestätigt das CDU-Mitglied: „Die Zukunft des Hauses war mir ein Leben lang sehr wichtig.“ Sie habe eine „ideale Lösung“ gefunden.

Ihr Büro an der nach ihrem verstorbenen Mann benannten Straße wird Friede Springer indes nicht aufgeben. Dem Handelsblatt sagte sie: „Ich habe nicht vor, mich zurückzuziehen und alles loszulassen.“ Sie bleibe im Aufsichtsrat und im Aktionärsausschuß: „Ich möchte nur sicher sein, daß, wenn mir etwas passiert, ich bei Mathias unser Verlagshaus in den richtigen Händen weiß.“

Die Ausrichtung wird sich nicht ändern

Zur ganzen Geschichte der 18 Jahre Vorstandsvorsitz gehören auch zwei schwere Fehlschläge Döpfners. Die Übernahme der Fernsehgruppe „Pro Sieben Sat.1“ scheiterte 2005 am Veto des Bundeskartellamts. Und auch die zwei Jahre später getätigte Beteiligung am damals aufstrebenden Postdienstleister „Pin“ ging in die Hose. Als der Staat das Unternehmen verpflichtete, die Zusteller nach Mindestlohn zu bezahlen, geriet es in eine Krise. Springer stieg am Ende desselben Jahres wieder aus – mit Verlust.

Doch seitdem ist viel Wasser der unweit des Konzernsitzes vorbeimäandernden Spree hinuntergeflossen. Döpfner hat sich zum Big Player in der Medienszene gemausert. Vor mehr als vier Jahren übernahm er den Vorsitz des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, den er kürzlich getreu seiner Geschäftsphilosophie in Bundesverband Digtitalpublisher und Zeitungsverleger umbenannte.

An der publizistischen Ausrichtung des Hauses Springer wird sich durch die Umverteilung der Besitzverhältnisse indes wenig ändern. Dafür bestimmt das Duo Döpfner/Springer schon zu lange gemeinsam Werte und Haltung der Berichterstattung. Heftige Kritik der beiden muß derzeit Bild-Chef Julian Reichelt wegen eines Artikels über das Familiendrama von Solingen einstecken, bei dem eine Mutter Anfang September fünf ihrer sechs Kinder umbrachte. Die Zeitung hatte ein Kind, den einzig überlebenden Bruder, kenntlich gemacht und dessen WhatsApp-Kommunikation mit Geschwistern veröffentlicht.

Das erzürnt vor allem Friede Springer, die innerhalb ihrer Stiftung „Ein Herz für Kinder“ in Erklärungsnöte gerät. Für ihre Verhältnisse wurde sie nun öffentlich ungewohnt deutlich: „Natürlich passieren Fehler, und damit muß man offen umgehen. Und so wird das auch praktiziert.“ Was das für den Chefredakteur des Boulevardblattes bedeutet, bleibt allerdings unklar.

Döpfner, so heißt es im Verlag, schätzt die mitunter regierungskritische Haltung Reichelts mehr als Springer, die sich ihrer Freundin Angela Merkel verpflichtet sieht. Es soll eine der wenigen leichten Differenzen sein, die es zwischen den beiden Erben des Unternehmensgründers gibt. Ansonsten gilt, was Friede Springer mit ihrer Schenkung verbindet: „Axel Springer wird auch weiterhin Axel Springer bleiben.“