© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/20 / 09. Oktober 2020

Aufgeschnappt
Melchior’s life matters
Matthias Bäkermann

Die älteste Quelle (Matthäus-evangelium) nennt sie schlicht „Magier aus dem Osten“. In der christlichen Tradierung wurden daraus über die Jahrhunderte „Könige“, die irgendwann Kaspar, Balthasar und Melchior hießen. Seit dem Mittelalter wird letzterer in der Krippenszene zu Jesu Geburt üblicherweise als Schwarzer dargestellt.

Laut Beschluß der Kirchengemeinde des Ulmer Münsters soll sich das 2020 ändern. Wie der Dekan der größten Kirche Deutschlands, Ernst-Wilhelm Gohl, dem Evangelischen Pressedienst vergangenen Montag erklärte, wolle man den schwarzhäutigen König Melchior „aus einer möglichen Rassismusdebatte nehmen“. Grund sei die etwa einhundert Jahre alte Holzschnitzfigur, deren Darstellung mit wulstigen Lippen und einem Goldreif am Fuß „rassistische Stereotype“ bediene. Für Kaspar und David bedeutet dies gemäß der Devise „Mitgegangen, mitgehangen“, daß auch sie aus dem diesjährigen Weihnachtsgottesdienst verbannt werden. So haben die Verantwortlichen – theologisch einwandfrei – beschlossen, die Krippenszene nach Lukas (ohne Weise, mit Hirten) zu zeigen. Das Schicksel des schwarzen Magiers bleibt danach ungeklärt. „Entweder werde Melchior ausgestellt und mit Texttafeln historisch eingeordnet oder für immer weggepackt“, verkündete Gohl bereits.