© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/20 / 09. Oktober 2020

Team HC könnte scheitern
Wahlen in Wien: Der Sozialdemokrat Michael Ludwig bleibt wohl trotz verfehlter Einwanderungspoltik im Amt
Josef Hämmerling

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) kratzt bei den Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen in Wien an der absoluten Mehrheit. Zwar liegt die SPÖ laut neuesten Umfragen des Wahlforschungsinstituts Politico nur bei 42 Prozent der Stimmen (2015: 39,59 Prozent). Sollte die Partei des 2019 gestürzten früheren Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Heinz Strache (Team HC Strache) nicht die Fünf-Prozent-Hürde übersteigen, würden schon je nach Abschneiden der kleinen Parteien 43 bis 46 Prozent für die absolute Mehrheit ausreichen.

Derzeit schwankt Team Strache bei den verschiedenen Umfragen um die Fünf-Prozent-Marke. So rechnet Meinungsforscher Franz Sommer von Demox Research am 11. Oktober „mit durchaus nennenswerten Abweichungen von den bisher veröffentlichten Umfrageergebnissen“. Neben der erwarteten sinkenden Wahlbeteiligung sei zudem „die extrem hohe Zahl an Briefwahlstimmen ein Unsicherheitsfaktor für die Prognose am Wahltag“. Der Zwischenstand laut Politico lautet wie folgt: Österreichische Volkspartei (ÖVP) 20 Prozent (9,24 Prozent, 2015), Grüne 14 Prozent (11,84 Prozent, 2015) und die Neos sieben Prozent (6,16 Prozent). Der große Verlierer wird laut den Umfragen die FPÖ sein, die zwei Drittel der Stimmen einbüßen und voraussichtlich etwa zehn Prozent der Stimmen kassieren wird (30,79 Prozent 2015).

Ausschlaggebend hierfür ist noch immer die Ibiza-Affäre um ein Video, das zeigt, wie Strache einer veremintlichen russischen Oligarchennichte Staatsaufträge für Hilfe bei den Nationalratswahlen in Aussicht gestellt haben soll. Kürzlich hervorgeholte Videosequenzen, die zeigen, daß Strache dies entgegen der Vorwürfe nicht getan hat, haben bislang noch keine Auswirkungen auf die Umfragewerte seiner Partei. Hauptprofiteur ist die ÖVP, die viele zur FPÖ abgewanderte Wähler zurückgewinnen konnte. Sommer erwartet, daß die SPÖ „vom vorprogrammierten Absturz der FPÖ in den Flächenbezirken profitieren wird“, in denen sie 2015 noch überdurchschnittlich viele Stimmen einbüßte. 

Viele warten gespannt auf Straches Rehabilitation

Die SPÖ profitiert von der großen Beliebtheit ihres Spitzenkandidaten, des alten und wohl auch neuen Wiener Bürgermeisters und Landeshauptmanns Michael Ludwig. Bei einer Direktwahl würde er Umfragen zufolge 50 Prozent der Stimmen erhalten. Sogar 72 Prozent der Befragten zeigten sich sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Selbst die verfehlte Wiener Migrationspolitik wirkt sich bislang nicht negativ auf die Umfragewerte Ludwigs aus. So sind zum Beispiel über 50 Prozent der Volksschüler auslandsstämmig und sprechen im Alltag kein Deutsch. Dagegen gebe es keine Deutschklassen oder Werteschulungen wie auf Bundesebene, kritisiert die ÖVP. Mit dem Fokus des Wahlprogramms auf Sozialthemen, wie etwa einer Lehrstellengarantie, sowie auf Umwelt- und Klimafragen konnte Ludwig auch einen weiteren Stimmenanstieg der Grünen und ihrer Spitzenkandidaten Birgit Heblein verhindern.

Den Demoskopen zufolge läuft alles auf einen Fortbestand der rot-grünen Wiener Regierungskoalition hinaus. Selbst falls die SPÖ eine nur kleine absolute Mehrheit schaffen sollte, erwarten Beobachter, daß Ludwig den Grünen wieder ein Angebot zur Zusammenarbeit unterbreiten wird. Dagegen sei eine Partnerschaft mit den Neos oder der ÖVP auszuschließen. Zu groß ist Ludwig zufolge die Gefahr von regelmäßigen ÖVP-Attacken, besonders auch bei der Ausländer-Problematik. Derzeit hat Rot-Grün mit 54 zu 46 Stimmen eine stabile Mehrheit, die nach dem 11. Oktober noch hgrößer sein dürfte. Auch bei den Wiener Wettbüros liegt Rot-Grün weit vorne. Wahlforscher erwarten turbulente Schlußtage des Wahlkampfs, gerade auch vom früheren Vizekanzler. Der 51jährige kämpft um seine Rehabilitation. Hierzu überraschte er Ende der vergangenen Woche mit einem von jungen Künstlern produzierten Musikvideo mit dem Titel „HC is back“. In dem Lied, das wie von dem Wiener Popstar Falco komponiert klingt, nimmt Strache die Mächtigen aufs Korn: „Wos tuat den Mächtigen weh? A Kreuzal bei HC.“ Wofür auch gleich die Falco-Privatstiftung rechtliche Schritte gegen HC eingeleitet hat.

Gespannt schaut die Öffentlichkeit auf Straches Wahlkampfabschluß, das „Fest der Freiheit“ am Mittwoch. Erwartet wird eine Generalabrechnung mit der FPÖ und der österreichischen Politik allgemein, vor allem auch mit dem Thema Islamismus, das auch im Wiener Wahlkampf eine große Rolle spielt.