© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/20 / 09. Oktober 2020

Agitation im Tarnkleid der Wissenschaft
Europas Kultur der Unmenschlichkeit

In den Niederlanden glaubte einer international vergleichenden Umfrage zufolge noch im März dieses Jahres jeder zweite Befragte, die koloniale Vergangenheit des eigenen Landes sei etwas, worauf man stolz sein könne. In Großbritannien war davon noch jeder dritte, in Frankreich und Belgien jeder vierte und in Italien immerhin noch jeder fünfte Befragte überzeugt. Auf die Frage, ob das ehemalige Kolonialimperium ihrer Länder etwas sei, dessen man sich heute schämen müsse, antworteten sogar durchschnittlich zwei Drittel der Befragten mit Nein. Für Gary Younge, der für den Guardian zwölf Jahre aus den USA berichtete und seit 2019 Professor für Soziologie an der Universität Manchester ist, stehen solche positiven Einschätzungen im Kontrast zu den großen, sich mit der „Black Lives Matter“-Bewegung solidarisierenden Demonstrationen, die nur Monate später in den Heimatländern der Befragten stattfanden.  Offensichtlich läge hier ein Fall kognitiver Dissonanz vor, da die Europäer, selbst solche, die sich für gebildet, gut informiert und links hielten, gegen den „Rassismus“ in den USA protestierten, „ohne sich einzugestehen, daß ihre eigenen Gesellschaften einen ähnlichen Pfad beschritten haben“. Denn im heutigen Europa, wettert der Wissenschaftler, nehme der „Rassismus“ überhand, sei der „Faschismus Mainstream-Ideologie“, übten „rassistische Parteien unverhältnismäßig großen Einfluß auf Politik und Öffentlichkeit aus“ und infiltriere „Unmenschlichkeit unsere politische Kultur“. Darauf reagiere „schwarzes Leben im europäischen Spätkapitalismus“ seit den 1990ern vermehrt mit Unruhen und Aufständen (Blätter für deutsche und internationale Politik, 7/2020). 


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