© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Nicht kleckern, klotzen
Paul Rosen

Von Franz Josef Strauß stammt der Satz, er brauche zum Regieren keine pompöse Staatskanzlei, sondern könne das auch aus einem Zelt tun. Trotzdem ließ sich „FJS“ einen Regierungssitz planen, dessen wuchtige Flügel den Münchner Hofgarten überschattet hätten. Proteste beeindruckten Strauß nicht. Erst nach seinem Tode 1988 wurden die gröbsten Planungsauswüchse zurückgenommen.   

Die Gigantonomie aus Bayern scheint inzwischen in Berlin angekommen zu sein. Sollte der Erweiterungsbau für Angela Merkels Bundeskanzleramt zunächst „ein auf den Bedarf hin konzipierter Bau, eng über die Spree mit dem Mutterhaus verbunden“ sein, so lassen jetzt bekanntgewordene Einzelheiten Zweifel an dieser Beschreibung des beauftragten Architekturbüros Schultes und Frank aufkommen. Eben dieses „Mutterhaus“ wird wegen seiner klotzigen Form als „Bundeswaschmaschine“ verspottet.

Jetzt befaßten sich Prüfer des Bundesrechnungshofes mit dem Bauvorhaben, das für offiziell angegebene 460 Millionen Euro 400 zusätzliche Büros und Serviceeinrichtungen schaffen soll. Das Personal im Kanzleramt ist wie in fast allen anderen Bundesbehörden drastisch aufgebläht worden – von 410 Stellen im Jahr 2001 auf rund 750 Stellen heute. Nach Durchsicht der Planung hatte der Bundesrechnungshof „Zweifel, daß alle zu erwartenden Kosten bekannt sind“. Das, was in einer Mitteilung des Kanzleramtes als „nüchterner, auf Funktionalität ausgerichteter Zweckbau“ beschrieben wurde, dürfte in Wahrheit mindestens 600 Millionen Euro kosten.

Einige im Bericht aufgeführte Beispiele lassen den Eindruck entstehen, daß in Berlin eher an einem imperialen Prachtbau als an einem Regierungsgebäude geplant wird. So soll der Erweiterungsbau eine Kindertagesstätte für zwölf bis 15 Kinder erhalten. Als Baukosten werden 2,8 Millionen Euro angegeben. Nach Ansicht der Rechnungsprüfer ist die Maßnahme völlig überflüssig, da zum Beispiel die in fußläufiger Entfernung liegende Kindertagesstätte des Bundestages mitgenutzt werden könnte. Auch am Sinn des Baus einer zweiten Spreebrücke (176 Meter lang) für das Kanzleramt zweifelt der Rechnungshof. Bereits heute führt vom Kanzleramt eine für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Brücke über die Spree zum Garten des Kanzleramtes, wo sich auch der Hubschrauberlandeplatz befindet. „Belastbare Aussagen zur Nutzungsintensität der Brücke“ konnte der Rechnungshof nicht finden. Ebenso fragwürdig erschien den Prüfern der Bau von neun Wintergärten für über 14 Millionen Euro und eines neuen Hubschrauberlandeplatzes. Insgesamt kommen die Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Baukosten für die Regierungszentrale pro Quadratmeter nur noch mit den Kosten für Hochsicherheitslabore in Universitäten oder Kliniken vergleichbar sind.

Gipfelpunkt dürfte aber der Neubau der Kanzlerwohnung sein. Merkels Wohnung ist 200 Quadratmeter groß. Die neue Wohnung soll 50 Quadratmeter mehr haben und für 225.000 Euro ausgestattet werden. Wenn der Neubau im Jahr 2028 bezugsfertig ist, dürfte Merkel nicht mehr im Amt sein.