© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Abstandsregeln am Tisch des Herrn
Ökumene: Nach dem Veto aus Rom machen Deutschlands katholische Bischöfe einen Rückzieher in der Frage des gemeinsamen Abendmahls mit den Evangelischen
Gernot Facius

Für die Ökumene-Begeisterten in beiden deutschen Großkirchen ist es die sprichwörtlich kalte Dusche: Zehn Jahre haben Katholiken und Protestanten an dem Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ gearbeitet. Nun tritt die römische Glaubenskongregation, offensichtlich mit Blick auf den für Mai 2021 in Frankfurt am Main geplanten 3. Ökumenischen Kirchentag, kräftig auf die Bremse. 

„Die Lehrunterschiede sind immer noch so gewichtig, daß sie eine wechselseitige Teilnahme am Abendmahl beziehungsweise an der Eucharistie derzeit ausschließen“, schrieb Kardinal Luis Ladaria Ferrer an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Der Konflikt entzündete sich an der Meinung des „Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“ (ÖAK), dem neben Bätzing und dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich-Bedford-Strohm je sieben weitere Bischöfe sowie Vertreter von EKD-Rat und -Synode angehören, daß eine wechselseitige Teilnahme von Protestanten und Katholiken an Eucharistie und Abendmahl der anderen Konfession mit guten Gründen als individuelle Gewissensentscheidung verantwortbar sei. 

Hier setzte Rom ein Stoppschild: Die wiederholte These, daß Christus der alleinige Gastgeber der Eucharistie sei, und daß es der Kirche nicht zukomme, Zulassungskriterien festzulegen, scheine „eine Trennung zwischen Christus und der Kirche vorzunehmen, was seitens katholischer Theologie so nicht akzeptiert werden kann“. Denn Christus habe die Kirche in besonderer Weise mit dem sakramentalen Mittlerdienst beauftragt. Und weiter: „Es fehlt ein eindeutiges Bekenntnis zur Realpräsenz Christi in der Eucharistie.“ Die Einheit in der eucharistischen Mahlgemeinschaft vorwegzunehmen, ohne die Einheit im Glauben erlangt zu haben, stehe in Gefahr, alles weitere Bemühen um die Lösung der noch ausstehenden Glaubensdifferenzen zu relativieren“. 

Ein weiteres römisches Argument: Eine Öffnung für eine Mahlgemeinschaft mit der evangelischen Kirche in Deutschland würde derzeit neue Gräben im Dialog mit der orthodoxen Kirche aufwerfen. Es gehe in dem aktuellen Streit, beteuert der ÖAK, allerdings nicht um ein wie auch immer geartetes ökumenisches Abendmahl, das die Unterschiede zwischen den Kirchen aufheben würde. Der ÖAK befürworte lediglich die „wechselseitige Gastfreundschaft“, vor allem für konfessionsverschiedene Ehepaare. Ungeachtet dieses Hinweises haben die katholischen Bischöfe die Warnungen wahrgenommen. In einer „Würdigung“ der römischen Anmerkungen heißt es: „Für die katholische Kirche sind die offenen Fragen so gewichtig, daß sie sich nicht in der Lage sieht, vor deren Klärung eine wechselseitige Teilnahme generell zu erlauben, zumal auch hier die Frage der Einheit der katholischen Kirche berührt ist.“ 

Auf evangelischer Seite zeigt man sich enttäuscht und auch genervt von den römischen Interventionen. Das kommt in der Reaktion des ehemaligen Kasseler Bischofs Martin Hein, der an dem ÖAK-Votum mitgearbeitet hat, zum Ausdruck: „Der versöhnende Tod Christi, an den wir im Abendmahl erinnern, überwindet sämtliche Grenzen und damit auch die Grenzen der Konfessionen. Ich frage mich schon, wenn der Tod Christi uns als Protestanten und Katholiken ständig trennt, wie weit ist es dann mit dem gemeinsamen Glaubenszeugnis?“ In die „Schmollecke“ werde man sich dennoch nicht zurückziehen. Hein schlägt vor, den bislang deutschen Dialog über das Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ europaweit zu führen. „Aus Respekt“ vor dem römischen Einspruch vertagte der katholische Episkopat eine Abstimmung über den Text des Kontaktgesprächskreises. Die Diskussion geht freilich weiter.