© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Homeoffice schafft neue Risikogebiete
Sorgen bei Immobilienfonds: Sinkende Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen / Kommen die Gewerbemieten unter Druck?
Martin Krüger

Ein Recht auf Homeoffice, wie von der SPD gefordert, wird es sicher nicht geben. Dafür sorgen schon Union und Wirtschaftsverbände (JF 42/20). Dennoch lassen sich zahlreiche Bürotätigkeiten viel kostengünstiger in Heimarbeit verrichten. Wegen der Corona-Pandemie sind viele Großraumbüros weiterhin oft leer. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts wollen über die Hälfe der befragten 7.000 Firmen das Arbeiten von zu Hause aus dauerhaft ermöglichen. Gewerkschaftler sind alarmiert: „Durch das Ausschreiben von Homeoffice-fähigen Jobs kann man weltweit fähige Fachkräfte rekrutieren“, prognostiziert Ifo-Ökonom Jean-Victor Alipour.

In der IT-Branche ist das längst Realität: Die Programmierer sitzen in Indien oder Weißrußland, die Hotline sitzt in Slowenien. Und dank ausgeweitetem Homeoffice könnten nun noch mehr Unternehmen perspektivisch Büroflächen und damit weitere Kosten einsparen. All dies bringt aber ein Problem: Millionen Anleger, zum Teil Kleinsparer, haben über Immobilienfonds in das bisherige Betongold investiert. Etwa 100 Milliarden Euro sind dort, oft zur Altersvorsorge, plaziert. In der Niedrigzins­phase waren ihre Ausschüttungen ein attraktiver Zinsersatz. Kratzt das Homeoffice jetzt an der Fonds-Rentabilität?

Schalter geschlossen, keine Auszahlung

Während der Finanzkrise 2008 wollten viele Anleger Anteile verkaufen. Da die Cashquote der Fonds oft nicht reichte, mußten erst Immobilien veräußert werden. Dabei half das Kleingedruckte im Prospekt: Fonds wurden geschlossen, 18 ganz abgewickelt. Diese Situation dürfte sich jetzt nicht wiederholen. Seit 2013 müssen Neuanleger ihre Anteile zwei Jahre halten. Und wer Anteile verkaufen will, hat eine zwölfmonatige Kündigungsfrist. Heute könnten Anlegern bei gewerblichen Immobilien andere Risiken ins Haus stehen: Nachverhandlungen beim Mietzins, Mietausfälle und endgültige Pleiten wegen Corona. Bei Leerständen fehlen Mieterträge, in der Folge fallen durch Renovierungen neue Kosten an.

Das Analysehaus Scope erwartete bereits im Sommer, daß sich die Fondsrenditen zwischen 1,5 und zwei Prozent einpendeln. 2019 waren es im Schnitt noch 3,1 Prozent gewesen. Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank fragte, ob sein renditeschwaches Institut überhaupt noch so viel Büroraum in teuren Metropolen brauche. Hinzu kommen die zahlreichen Filialschließungen bei Banken und Sparkassen. 2018 wurden laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nur elf Prozent der Arbeitszeit von Angestellten zu Hause erbracht. Und 2019 pendelten deutschlandweit 3,4 Millionen Beschäftigte für ihren Bürojob sogar in ein anderes Bundesland. Im August 2020 verbrachte laut einer Morgan-Stanley-Studie hingegen schon die Hälfte der Büroangestellten die Arbeitszeit zumindest teilweise im Homeoffice.

Wegen Amazon, Otto, Zalando & Co. dürften weitere Handelsflächen zur Disposition stehen. Und das trifft die Immobilienfonds als Vermieter. Der Einzelhandel macht etwa 25 Prozent ihrer Flächen aus. Hotels sind mit acht Prozent Fondsanteil nach der Gastronomie die drittwichtigste Anlageklasse und mit ihrer miserablen Auslastung ein weiteres Sorgenkind. Laut dem Maklerhaus Jones Lang LaSalle (JLL) gibt es in Deutschland derzeit 390 Millionen Quadratmeter Bürofläche.

Die DZ-Bank errechnete, daß ein Quadratmeter Bürofläche in den sieben größten Städten Deutschlands mit Nebenkosten zwischen 18 und 25 Euro Monatsmiete kostet. Bei 30 Quadratmetern je Beschäftigtem würden damit pro Arbeitsplatz jährlich 6.500 bis 9.000 Euro fällig. Für Spitzenlagen in Berlin, Frankfurt oder München wären es sogar mehr als 15.000 Euro – ein riesiges Einsparpotential. Die NAI-Apollo-Studie „Homeoffice – Auswirkungen auf den Büromarkt“ prognostiziert, daß der Büroflächenbedarf in Frankfurt um zehn bis 20 Prozent sinken könnte. Zwischen 28.500 und 68.000 Büroarbeitsplätze könnten hier künftig ungenutzt bleiben.

Schon vor Corona wurden die teuren Büroplätze wegen Wochenenden, Urlaub, Krankheit, Dienstreisen oder Teilzeitverträgen laut DZ-Bank nur an 190 Tagen im Jahr genutzt. Bürofläche und die teure Infrastruktur könnten mehrere Firmen nutzen, wie es bei Radiologen oder Zahnärzten schon jetzt der Fall ist.

Verschiebung bei der Wohnungsnachfrage

Die JLL-Studie kommt daher zu dem Schluß, daß bei einer weiter hohen Wohnkostenbelastung in der Stadt die umliegenden Regionen attraktiver würden. Gibt es beispielsweise nur noch ein oder zwei verpflichtende Bürotage, könnten die Kosten einer erhöhten Pendelzeit aufgewogen werden, meint JLL-Experte Helge Scheunemann.

Angesichts des hohen Anteils an Büro- und Dienstleistungsjobs gebe es viel Potential für eine Verschiebung der Wohnungsnachfrage in München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Darmstadt. Allerdings gibt es auch Argumente gegen kurzfristige Veränderungen: So ist der Immobilienmarkt ein Spätzykliker, die Firmen sind durch Mietverträge mit Laufzeiten von über fünf Jahren gebunden. Umzüge in billigere Standorte sind aufwendig und teuer.

Der Immobiliendienstleister Savills hat mit „Office FiT“ sogar einen Leitfaden erarbeitet, wie die neue Normalität gestaltet werden kann und welche Raumkonzepte in Gewerbeimmobilien künftig denkbar sind. Für viele Investoren dürften nun aber dennoch Fonds für Wohnimmobilien oder Studentenwohnanlagen nun attraktiver erscheinen. Vermutlich liegt der Dramatiker Botho Strauß insgesamt richtig: „Ist nicht alles wie nie?“

„Corona – Wohnungsmarkt als Stabilitätsanker der Konjunktur“ (IW-Kurzbericht 94/20): Resale Report“:

 www.iwkoeln.de

 www.nai-apollo.de