© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Corona erhöht den politischen Einfluß von Wissenschaft
Aussichten auf neue Debattenkultur
(dg)

Die Corona-Pandemie könnte das Verhältnis von Wissenschaft, Politik und demokratischer Öffentlichkeit so nachhaltig verändern, daß sich mit ihr eine „neue Debattenkultur“ ankündigt. Wissenschaftliche Erkenntnis, da ist sich der im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur tätige Philosoph Marcus Beiner sicher, werde in der gegenwärtigen Krise „in ganz neuer Weise zum Politikum, und politische Macht, die sich öffentlich rechtfertigen muß, ist nun unmittelbar auf Wissenschaft angewiesen (Deutsche Universitätszeitung, 9/2020). Diese Unmittelbarkeit unterscheide die derzeitige Situation von der in Nicht-Krisenzeiten üblichen Praxis politischer „Entscheider“, Expertenrat zur Lösung sozialer oder technischer Probleme zwar einzuholen, ihn aber nur mit Zeitverzug und regelmäßig „verwässert“ umzusetzen. Was den wissenschaftlichen Berater „manchmal ein wenig frustriert“ zurückgelassen habe „ob der eigenen Machtlosigkeit“. Im Ausnahmezustand einer Leib und Leben der Bürger bedrohenden Pandemie seien medizinische Experten hingegen erstmals bei der Vorbereitung konkreter Entscheidungen einbezogen worden. Dadurch habe sich die gesellschaftliche Relevanz von wissenschaftlich fundierter Politik jedermann vor Augen geführt. Zugleich habe das Publikum verstanden, daß Wissenschaft ein Lernprozeß ist, dessen Resultate künftig stärker in den „demokratischen Diskurs“ einfließen würden. Auch das Wissen, das jenseits medizinisch-naturwissenschaftlicher Disziplinen produziert werde. Wie Beiner angesichts der auch technisch gerade perfektionierten  „Cancel Culture“ etwas weltfremd hofft. 


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