© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Frisch gepresst

Sozialstaat. „Unser sozialstaatliches System läuft schon länger Gefahr, den wachsenden Herausforderungen nicht mehr gewachsen zu sein und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel zu setzen.“ Schon der schlechte Stil eines solchen Befundes ist ein absolut sicheres Indiz dafür, daß Ronnie Schöb, Finanzwissenschaftler an der FU Berlin, über das Thema seines Buches noch nicht gründlich genug nachgedacht hat. Dabei fehlt es nicht an konstruktiver Kritik der sozial-, arbeitsmarkt- und rentenpolitischen Flickschusterei, mit der alle Regierungen der Berliner Republik auf die vom globalisierten Neoliberalismus ausgelöste Malaise des einst vorbildlichen „rheinischen Kapitalismus“ zu reagieren versuchten. Nur über die bei ihm irgendwie schicksalhaft und anonym erscheinenden „Herausforderungen“, zum Beispiel über jene durch Massenmigration, die vom Weltsozialamt Deutschland angelockt wird, sollte Schöb in seinem nächsten Buch mehr verraten. Dann würde vielleicht auch deutlich, warum der „gesellschaftliche Grundkonsens gefährdet“ ist, der einerseits allen Teilhabe verspricht, die Erosion des Nationalstaats als immer noch geltenden Maßstab für dieses solidarische System jedoch billigend in Kauf nimmt. Daß sein Patentrezept zur Stützung des knirschenden Gebälks, die Einführung einer „Grundsicherung“ im Souterrain des Sozialstaats, den Zusammenbruch nicht einmal verzögern dürfte, wenn kein Damm den Zustrom „Leistungsberechtigter“ aus aller Herren Länder aufhält, läge damit auf der Hand. (dg)


Ronnie Schöb: Der starke Sozialstaat. Weniger ist mehr. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020, gebunden, 280 Seiten, 27,95 Euro