© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

Der diese Farben haßt
Innenminister: Schwarz-weiß-rote Fahnen gelten als rechtsextremes Accessoire / Bald bundesweites Verbot?
Christian Vollradt

Wenn Anfang Dezember die Innenministerkonferenz zu ihrer nächsten – der 213. – Sitzung zusammenkommt, wird wohl auch die Frage des Umgangs mit zwei historischen Flaggen auf der Tagesordnung stehen. Spätestens seit im Sommer bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen vereinzelt Teilnehmer Fahnen aus der Kaiserzeit mitführten, hat die Diskussion um ein mögliches Verbot von Reichskriegsflagge & Co. wieder Hochkonjunktur.  

Die bisherige Rechtslage lautete: „Das Führen der Reichskriegsflagge des Deutschen Kaiserreichs erfüllt weder einen Tatbestand des Strafgesetzbuches noch des Ordnungswidrigkeitengesetzes“, so der Verfassungsschutz. Dennoch könne die Reichskriegsflagge „nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht dann sichergestellt werden, wenn dies in konkreten Einzelfällen die erforderliche, geeignete und verhältnismäßige Maßnahme ist, um konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.“ 

Nun haben bereits Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz die entsprechenden Erlasse dazu verschärft. Dabei gerät auch die schwarz-weiß-rote Trikolore, die 1867 als Handelsflagge des Norddeutschen Bundes eingeführt, von Kaiser Wilhelm II. 1892 per Gesetz offiziell zur „Nationalflagge“ erhoben und (als Handelsflagge) bis 1921 – und von 1933 bis 1935 erneut – offiziell geführt wurde, ins Fadenkreuz der Behörden.  

In Bremen ist das „Zeigen oder Verwenden der Reichskriegsflagge aus der Zeit bis 1935 in der Öffentlichkeit“ nun „im Rahmen der Aus­übung pflichtgemäßen Ermessens zu unterbinden“. Für die Reichsflagge gelte dies, „wenn eine konkrete Provokationswirkung gegenüber der Allgemeinheit unter Be­achtung der Gesamtumstände des Einzelfalls besteht“. Auch die Landesregierung in Mainz läßt künftig Reichsflaggen sicherstellen, wenn sie „als Provokation oder gar unter aggressiven Begleitumständen verwendet“ werden. Dies kostet dann eine Geldbuße von bis zu 1.000 Euro.

Ähnliches gilt in Niedersachsen: Wird die Reichskriegsflagge geschwenkt, soll umgehend ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werden, so der Erlaß von Innenminister Boris Pistorius (SPD). Und was ist mit schwarz-weiß-roten Fahnen, die ja auch von manchen studentischen Verbindungen traditionell (und unpolitisch) geführt werden? „Das Zeigen der Reichsflagge in der Öffentlichkeit ist nur zulässig, wenn hierdurch keine weitere Provokationswirkung gegenüber der Allgemeinheit entsteht“, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums in Hannover auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. Denn da sie mit „der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht“ werde, „kann auch beim Zeigen dieser Flagge der Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllt sein – etwa wenn sie „am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, gehißt wird“. 

In Nordrhein-Westfalen forderte sogar der Landtag mit einem fraktionsübegreifenden Beschluß von CDU,SPD, Grünen und FDP die Landesregierung zum Verbot der Reichskriegsflagge auf. Nur die AfD-Fraktion stimmte dagegen. Nicht mehr enthalten im Antrag war ein ursprünglich von der SPD gefordertes Verbot auch der Reichsflagge. Praktisch für die FDP, die so zustimmen konnte, ohne sich vom eigenen „Corporate Design“ aus der Frühzeit distanzieren zu müssen, als die Partei – wie bei der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag – noch in Schwarz-Weiß-Rot warb (siehe untere Abbildung). 

Der Sprecher von Horst Seehofer (CSU) sagte am Montag, der Bundesinnenminister begrüße es, „wenn die Länder in ihrer derzeitigen Rechtslage möglichst weitgehend versuchen, das öffentliche Zeigen der Reichskriegsflagge auch in der Form, die im Moment noch nicht verboten ist, zu unterbinden.“ Dazu bedürfe es jedoch nicht eines konkreten bundeseinheitlichen Gesetzgebungsvorhabens, sondern einer Abstimmung zwischen Bund und Ländern. 

Ganz neu ist der Fahnen-Bann unterdessen nicht. Im Dezember 1992 hatte sich die SPD über den Daimler-Benz-Manager Karl Dersch echauffiert, der auf seinem Grundstück die kaiserliche Kriegsfahne gehißt hatte. Als Konzernchef Edzard Reuter den Mitarbeiter daraufhin fallenließ, schrieb ihm ein CSU-Politiker einen geharnischten Brief: „Ich gratuliere Ihnen zu einem Weltkonzern, der durch das Hissen einer Wilhelm-II-Flagge in einem Münchner Vorgarten ins Wanken gerät“. Und am Schluß: „Ich empfinde Ihr Verhalten als beschämend und möchte, daß Sie dies wissen.“ Absender: Peter Gauweiler.