© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

Alte Ziele, neue Methode
Steuerpolitik: Mit einem Kompromißvorschlag will das DIW das Ehegattensplitting aushöhlen / Höhere Ewerbstätigkeit und Mehreinnahmen
Jürgen Liminski

Es geht wieder los. Bei der Suche nach neuen Steuerquellen hat das eher SPD-nahe Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) das alte Thema Ehegattensplitting aus der Schublade gezogen. Denn irgendwie müssen die zig Milliarden von Corona-Schulden wieder hereingeholt werden und zwar frühestens nach den Wahlen, wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Ausgabenorgie nicht mehr braucht. Mehrfach schon haben in den letzten Jahrzehnten Grüne und SPD-Politiker, gelegentlich auch die FDP und Wirtschaftsverbände, ein Auge auf diese steuerliche Säule der Ehe geworfen.

Dabei hat sich gezeigt, daß die rechtlichen Hürden zur Abschaffung der die Ehe stabilisierenden Steuerschuldaufteilung zu hoch sind. Das räumen die DIW-Autoren auch indirekt ein, wenn es in der Pressemitteilung zur Studie heißt: „Eine Individualbesteuerung wie in Schweden oder Österreich kann aufgrund von rechtlichen Hürden in Deutschland nicht eingeführt werden.“ Eine völlige Abschaffung des 1957 eingeführten Ehegattensplittings ist nicht möglich, also haben die Autoren an anderen Stellen geschraubt und gerechnet, um ihre Ziele zu erreichen.

Ideologische Schlagseite durch Gender Economics

Zwei von ihnen werden schon im Titel der Studie aufgeführt werden: Förderung der Frauenerwerbstätigkeit und steuerliche Mehreinnahmen. Das dritte Ziel, eine Umverteilung von oben nach unten, wird so nebenbei erwähnt, wenn es um die Berechnung der zehn Milliarden Euro Mehreinnahmen für Vater Staat geht. Da heißt es zunächst, zwei Milliarden kämen durch Arbeitsmarkteffekte zustande. Gemeint sind wohl Lohnsteuern durch mehr erwerbstätige Frauen, und natürlich kämen hier auch noch Einsparungen bei Sozialausgaben hinzu. Der große Brocken von acht Milliarden aber käme von oben oder mit den Worten der Studie: „Die Belastungen werden dabei zum Großteil von Paaren aus den obersten beiden Einkommensdezilen getragen.“

Grosso modo schlägt die DIW-Studie einen Kompromißentwurf vor, der die einfache Methode des Splittings (zusammenlegen der Einkommen und geteilt durch zwei) begrenzt. Es soll nur noch ein Teil des Einkommens und zwar bis zur Höhe des Grundfreibetrags (9.696 Euro) zusammengelegt werden können, wodurch die Ersparnis begrenzt wird. Gleichzeitig wird der Rest des Einkommens normal versteuert. Dadurch erhofft oder schätzt das Vier-Autoren-Team, daß bei dieser Reform die Arbeitsstunden verheirateter Frauen um 1,7 Prozent und ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt um 0,6 Prozentpunkte steigen würde.

Hier wird die ideologische Schlagseite der Studie deutlich – aber kein Wunder, eine Autorin ist die Volkswirtin Katharina Wrohlich, Leiterin der DIW-Forschungsgruppe „Gender Economics“. Zum einen folgen sie dem Wunschmodell der Bundesregierung und des politisch-medialen Establishments, wonach beide Eltern Vollzeit arbeiten wollen. Das bevorzugte Familienmodell heute aber ist: Er Vollzeit und sie Teilzeit, und das in Funktion des Alters der Kinder. Etwa 40 Prozent der Paare folgen diesem Modell, vor 25 Jahren waren es erst 25 Prozent. Dem Modell der zwei Vollzeitbeschäftigten folgen rund 15 Prozent mit sinkender Tendenz, vor 25 Jahren waren es 23 Prozent, und das frühere Mehrheitsmodell des Alleinernährers ist mittlerweile von 40 auf unter 30 Prozent gesunken. Mit anderen Worten: Das alte Modell des Ehegattensplittings ist für gut zwei Drittel der Familien das ertragreichere.

Zum zweiten wird an dem Kompromiß des DIW-Teams der ideologische Ansatz deutlich, Familie nicht als Institution, sondern als Addition von Menschen zu begreifen, die gerade mal zusammenleben. Für diese Addition ist eine Individualbesteuerung geeigneter, und diese Besteuerung will man mit dem Kompromiß wenigstens teilweise allen Paaren aufzwingen. Das aber widerspricht der grundsätzlichen Idee des Ehegattensplittings. Denn diese steuerliche Maßnahme schützt und sichert die Institute Ehe und Familie, indem sie den Ehepartnern ein Stück Freiheit verschafft, ihre Arbeit und wirtschaftliche Basis so zu gestalten, wie sie es wollen.

Steuervorteile kein überholtes Privileg

Niemand ist gezwungen, diese Maßnahme anzuwenden. Die Ehepartner können ihr Einkommen steuerlich gemeinsam veranschlagen. Sie müssen es nicht. Wenn einer von ihnen nicht erwerbstätig ist – in der Regel die Frau, die ihre Arbeitskraft dem Haushalt widmet –, dann teilt sich diese Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft namens Ehe das Erwerbseinkommen, und das ist der Kerngedanke des Ehegattensplittings.

Ein Argument gegen das Ehegattensplitting ist die wachsende Zahl kinderloser Ehen. Natürlich, ein Zweck der Ehe ist die Nachkommenschaft. Aber die Ehe hat als solche auch ohne Kinder einen eigenen Wert. Das Trennungsrisiko ist in nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Vergleich zu Ehen um ein Mehrfaches höher. Diese Verläßlichkeit verringert die Altersarmut, denn unverheiratete Paare bilden seltener gemeinsam Vermögen. Dafür betonen sie stärker die Unabhängigkeit der Partner.

Auch ist die finanzielle Solidarität zwischen unverheirateten Lebenspartnern tendenziell schwächer ausgeprägt als bei Ehepaaren. Die interne Solidarität in Ehen (Pflege von Alten und Kranken) spart dem Staat zudem ungeheuer viel Geld. So gesehen ist das Ehegattensplitting kein überholtes Privileg, wie die Studie insinuiert, sondern eine Investition in die Zukunft. Es trägt zur Stabilität und zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Aber dafür ist das DIW offenbar nicht zuständig.

Steuerstudie „Reform des Ehegattensplittings: Realsplitting mit niedrigem Übertragungsbetrag ist ein guter Kompromiß“, im DIW Wochenbericht 41/2020: www.diw.de