© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

CD-Kritik: Luciano Berio, Ivor Bolton
Transidentitäten
Jens Knorr

Zeit seines Komponistenlebens hat der Italiener Luciano Berio (1925–2003) Kompositionen großer Meister transkribiert, eine Auswahl davon hat das Sinfonieorchester Basel unter Ivor Bolton eingespielt. Geboten werden ein asketisch vor sich hin grübelnder Contrapunctus XIX aus Bachs „Kunst der Fuge“, oszillierend zwischen erweiterter Klavier- und reduzierter Orchesterfassung de Fallas „Siete Canciones Populares Españolas“, eine ironische Hochstapelei aller vier Fassungen der „Ritirata Notturna di Madrid“ von Boccherini, versöhnlich gestimmte frühe Lieder von Mahler, eine symphonisch aufgeschwemmte Klarinettensonate von Brahms. Und als Zugabe ersteingespielte barockisierende und romantisierende Bearbeitungen dreier Songs der Beatles.

Das klinget so herrlich, das klinget so schön, wenn Daniel Ottensamer die Klarinette bläst oder Sophia Burgos sich auf durchsichtigem Orchestersatz durch die Volks- und Kunstlieder treiben läßt. Das klinget weniger herrlich und schön, wenn Benjamin Appl mit unsteter und spröder Tongebung, jedoch viel äußerlicher Expressivität wenig aus den Mahler-Liedern zutage fördert, was doch in ihnen gewachsen ist und weiter wächst. All das läßt unentschieden, ob sich Berio als dienstbarer Geist seinen Komponisten hingegeben hat oder die sich ihm als dienstbare Geister für seine Arrangements hergegeben haben.

Luciano Berio Transformation Sony 2020  www.sonyclassical.comwww.Sinfonieorchesterbasel.ch