© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Krach um Karabach
AfD: Reise zweier Abgeordneter sorgt für Kritik in der Fraktion
Christian Vollradt

Daß, wenn einer eine Reise tut, er auch was erzählen kann, gilt um so mehr für Politiker. Und insbesondere dann, wenn die Tour in ein Krisen- oder gar Kriegsgebiet führte. So luden vergangene Woche die beiden AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter und Steffen Kotré zur Pressekonferenz, um über ihren Aufenthalt in Bergkarabach zu berichten, jenem aktuell wieder heftig zwischen Arneniern und Aserbaidschanern umkämpften Gebiet im Kaukasus. 

Die Abgeordneten schilderten ihre Eindrücke von den Folgen der Kämpfe, zeigten zerstörte Gebäude und verwundete Soldaten sowie Zivilisten. Sie berichteten über den vermuteten Einsatz verbotener Streumunition durch das aserbaidschanische Militär. Und sie gaben die Spekulationen ihrer armenischen Gastgeber über den Einsatz islamistischer Söldner und regulärer türkischer Streitkräfte wieder. Alles mit dem Zusatz, daß sie die Angaben noch nicht überprüft hätten, manches jedoch auch von Vertretern des Roten Kreuzes oder Kriegsberichterstattern großer Agentutren vor Ort bestätigt worden sei. Aus ihrer Parteinahme für die Armenier der nach Unabhängigkeit strebenden Region Bergkarabach machten Keuter und Kotré keinen Hehl. Sie warfen der Bundesregierung wie der Europäischen Union Untätigkeit vor.

Doch so ganz glücklich sind sogar die eigenen Parteifreunde und Fraktionskollegen mit der Tour der beiden nicht. Denn das Ganze basierte vor allem auf länger bestehenden, inoffiziellen Kontakten; eingefädelt vor Jahren unter anderem durch Ex-AfD-Mitglied Andreas Kalbitz. Der Brandenburger Landtagsabgeordnete gehörte auch zur jüngsten AfD-Reisegruppe, was einigen in der Partei sauer aufstößt. Vor allem sind beide keine Außenpolitiker; Kotré ist Mitglied im Ausschuß für Wirtschaft und Energie, Keuter im Finanzausschuß. Natürlich stehe es jedem Abgeordneten frei, solche Reisen zu machen – nur eben nicht namens der Fraktion. Und dort verweisen Fachleute auf die Tatsche, daß völkerrechtlich Bergkarabach – aller historischen „Ungerechtigkeit“ zum Trotz – sehr wohl zu Aserbaidschan gehört. 

Dem kurzfristig und nach Antritt gestellten Antrag der beiden Reisenden, die Fraktion möge die Kosten übernehmen, wurde nicht entsprochen. Das stand sogar schon zum Zeitpunkt der Pressekonferenz fest. Und auch die fand – anders als von Keuter und Kotré zunächst gewünscht – nicht unter Federführung der Fraktionspressestelle statt, sondern mußte von ihnen in Eigenregie bestritten werden. Auch inhaltlich gab es intern Widerspruch: Deutschland solle sich aus diesem Konflikt tunlichst heraushalten, meinte ein Abgeordnter.